Fallstricke bei der Mangelbeseitigungsaufforderung

1. Die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wegen Mängel nach der Abnahme setzt im VOB-Vertrag eine vorherige Fristsetzung zur Nacherfüllung voraus.
2. Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Mängeln aus § 13 Abs. 7 VOB/B kommt vor der Abnahme nicht in Betracht.
3. Eine vor der Abnahme erklärte Fristsetzung kann nicht als Fristsetzung zur Nacherfüllung ausgelegt werden.

(OLG Brandenburg, Urteil vom 22.03.2023 – 4 U 190/21)

Ein Generalunternehmer nimmt seinen NU auf Schadenersatz wegen mangelhafter Werkleistungen aus einem VOB/B-Einheitspreis-Vertrag über die Sanierung von Rissen und Fugen einer Asphaltfläche in Anspruch. Es handelte sich um Teile einer insgesamt 135 ha großen Asphaltfläche.

Dem vorausgegangen war, dass der Hauptauftraggeber (HAG) vor Fertigstellung und Abnahme der Leistungen eine Mangelrüge an den Generalunternehmer richtete, welche dieser an seinen Nachunternehmer weitergeleitet hatte. Gerügt wurde vom HAG, dass Fugen bereits aufgerissen und abgesackt seien, der Verguss sich von der Asphaltfläche löse und die Vorbereitung der Risse (Schneiden) nicht regelgerecht durchgeführt wurde. Der NU wies die Mangelvorwürfe zurück und bat zugleich um einen Ortstermin zur Ermittlung der Schadensursache. Er erklärte, falls aufgetretene Schäden durch ihn verursacht worden seien, würde auch Bereitschaft zur Mangelbeseitigung bestehen. Tatsächlich führte der NU anschließend Sanierungsarbeiten aus, mit denen der Auftraggeber des GU aber nicht einverstanden war, weil die angewendete Methode nicht akzeptiert wurde. Der HAG setzte dem GU daraufhin eine letzte Frist zur ordnungsgemäßen Fertigstellung seiner Leistungen “gemäß VOB/B § 5 Abs. 4“, zudem kündigte er die Selbstvornahme der Mangelbeseitigung nach fruchtlosem Ablauf der Frist an. Der GU leitete das Schreiben an den NU weiter. Der NU lehnte es ab, die Mängelrügen anzuerkennen und verwies nochmals auf die Bereitschaft, die Mangelursachen vor Ort zu prüfen. Tatsächlich hatte sich auch der GU gegenüber dem Auftraggeber darauf berufen, dass unter dem Asphalt Müllverbrennungsasche liege, die noch nicht abreagiert habe. Dies sei bei der Ausschreibung nicht hinreichend berücksichtigt worden, so dass die ausgeschriebenen Leistungen zur dauerhaften Risssanierung letztlich ungeeignet gewesen seien; es liege ein Planungsfehler vor.

Nachdem der Auftraggeber den GU gekündigt hatte, kam es zum Prozess. Vor dem Berufungsgericht wurde ein Vergleich geschlossen, in dem sich der GU verpflichtete, an den Auftraggeber insgesamt 540.000 € Schadenersatz zu bezahlen. Einen Teilbetrag von 100.000 € verlangte der GU anschließend vom Nachunternehmer als Schadenersatz, im Ergebnis ohne Erfolg.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Gericht weist die Klage ab. Der Generalunternehmer hat gegenüber seinem Nachunternehmer gravierende rechtliche Fehler gemacht (unabhängig von der Frage, ob die Mängelansprüche tatsächlich berechtigt waren). Es gibt in Situationen wie der geschilderten mehrere rechtliche Probleme, die der GU nicht richtig eingeschätzt hat.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist es so, dass Mängelansprüche erst mit der Abnahme entstehen. Vor Abnahme gibt es den Anspruch auf vertragsgemäße Erfüllung. Man kann als Auftraggeber schon vor der Abnahme Mängel rügen, aber eine Ersatzvornahme durchzuführen geht bei einem Vertrag nach VOB/B erst nach einer Kündigung des Vertrages. Wahrscheinlich ist das im Ergebnis bei einem BGB-Bauvertrag genauso. Beim VOB/B-Vertrag gibt es noch das Zusatzproblem, dass Mängel kein abgrenzbarer Teil der Leistung sind. Deshalb ist eine Teilkündigung nicht zulässig, außer in den Vertragsbedingungen wäre das abweichend vereinbart.

Die Kündigung des gesamten Vertrages aus wichtigem Grund setzt allerdings voraus, dass es sich um erhebliche Mängel handelt, und die Nichtbeseitigung durch den Auftragnehmer dazu führt, dass es dem Auftraggeber nach Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zuzumuten ist, das Vertragsverhältnis bis zum Ende durchzuführen (§ 648a BGB neue Fassung).

Diese Unzumutbarkeit im Stadium der Vertragserfüllung ist immer zu prüfen. Es reicht nicht aus, sich einfach auf § 4 Abs. 7 VOB zu berufen, denn der Bundesgerichtshof hat kürzlich festgestellt, dass § 4 Abs. 7 VOB/B unwirksam ist, wenn die VOB/B nicht unverändert vereinbart wurde.

Praxishinweis

Unterstellt, die Leistungen wären tatsächlich von dem Nachunternehmer mangelhaft ausgeführt worden, hätte der Generalunternehmer nach entsprechender Fristsetzung den Nachunternehmervertrag kündigen müssen. Dazu wäre er berechtigt gewesen, wenn durch die nicht erfolgte Mangelbeseitigung das Vertrauensverhältnis für die Fortsetzung des Vertrages zerstört gewesen wäre. Hieran kann man durchaus Zweifel haben, denn der Nachunternehmer hatte stets betont, dass erst einmal durch weitere Termine die Ursache der neu aufgetretenen Rissbildungen geklärt werden müsste. Andererseits ist es so, dass eine freie Kündigung vor Fertigstellung immer noch besser ist, als gar keine Kündigung.
Hätte der GU den Nachunternehmervertrag gekündigt (egal ob nun aus wichtigem Grund oder als freie Kündigung), dann hätte der NU das Recht gehabt, eine Abnahme seiner Leistungen zu verlangen. Wenn aber der NU keine Abnahme verlangt, hat man das Problem, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes Mängelansprüche überhaupt erst mit der Abnahme entstehen. In den meisten Fällen ist es demzufolge sinnvoll, dass man als Auftraggeber nach der Kündigung freiwillig ein Abnahmeprotokoll erstellt, dort alle Mängel hineinschreibt und sich im Abnahmeprotokoll die Mängelrechte wegen dieser Mängel vorbehält. Anschließend setzt man nochmals eine Frist zur Mangelbeseitigung, und wenn diese erfolglos abgelaufen ist, sind jedenfalls die formalen Voraussetzungen für die Geltendmachung von Kostenvorschuss oder Schadenersatz gegeben.

Vorliegend gab es aber keine Kündigung. Auch eine Abnahme der Leistungen war nicht erfolgt. Wenn es keine Kündigung gibt, dann gibt es auch keine Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung des Vertrages, und wenn es keine Abnahme gibt, kann es keine Gewährleistungsansprüche geben. Außerdem kann eine Mangelrüge vor Abnahme nicht eine Mangelrüge nach Abnahme ersetzen. Da der Nachunternehmern (sehr geschickt) immer wieder seine Bereitschaft zur Untersuchung der Mangelursachen erklärt hatte, lag auch keine endgültige Erfüllungsverweigerung vor. Daher blieb der Generalunternehmer auf dem Schaden sitzen.

Hendrik Bach
Rechtsanwalt