Kein Anscheinsbeweis für Zugang von E-Mails

Der Zugang einer E-Mail ist unter den gegenwärtigen technischen Bedingungen (noch) nicht in einem Maße typisch, dass die Bejahung einer prima-facie-Beweiserleichterung gerechtfertigt wäre.

(OLG Rostock, 7 U 2/24)

Ein Unternehmer hatte bei einem Händler mündlich Material bestellt. Der Verkaufsmitarbeiter schickte nach dem Telefonat eine E-Mail, in der er die Bestellung bestätigte. Im Nachhinein erklärte der Besteller, es sei nur über eine mögliche Bestellung und Konditionen hierfür gesprochen worden. Eine verbindliche Bestellung sei nicht erfolgt. Die E-Mail habe er nicht erhalten.

Der Verkaufsmitarbeiter wurde vor Gericht als Zeuge gehört, konnte sich aber naturgemäß Monate später nicht mehr genau genug an den Inhalt des Gespräches erinnern.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Oberlandesgericht Rostock beschäftigte sich mit der Frage, ob ein „Beweis des ersten Anscheins“ dafürsprechen würde, dass die E-Mail angekommen ist und damit ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben vorliegt.

Unter einem Beweis des ersten Anscheins versteht man, dass es einen „typischen Geschehensablauf“ gibt, bei dem nach aller Lebenserfahrung davon ausgegangen werden kann, dass ein bestimmtes Ergebnis eingetreten ist.

Der Händler hatte erklärt, er habe keine Nachricht erhalten, dass die E-Mail nicht zugestellt worden war und demzufolge müsse davon ausgegangen werden, dass die E-Mail angekommen sei. Ähnlich wie bei Vorlage eines Faxberichtes müsse nun die Gegenseite plausibel darlegen, warum die E-Mail nicht angekommen sein soll. Das Gericht meint, der Zugang möge zwar “die Regel” darstellen, sei aber jedenfalls unter den gegenwärtigen technischen Bedingungen (noch) nicht in einem Maße typisch, dass die Bejahung einer prima-facie-Beweiserleichterung gerechtfertigt wäre. Irgendeine technische Begründung gibt das Gericht hierfür nicht, sondern nur den Verweis auf andere Gerichtsurteile.

Das Gericht lehnt es auch ab, dass die Beklagtenseite den Inhalt ihres E-Mail-Postfaches (erhaltene E-Mails, gelöschte E-Mails) vorlegen solle. Auch wenn jemand bestreite, einen Brief bekommen zu haben, sei es nicht gerechtfertigt, die Wohnung zu durchsuchen.

Praxishinweis

Unser Rat an dieser Stelle: Der einfachste Weg, sich über den Zugang einer E-Mail zu vergewissern, ist ein Anruf beim Empfänger und eine anschließende Telefonnotiz, dass man mit dieser oder jener Person gesprochen und diese den Empfang der E-Mail bestätigt hat.

Hendrik Bach
Rechtsanwalt