Reden ist nicht immer Silber!

Teilt der Auftraggeber dem Auftragnehmer auf einer Baubesprechung mit, dass sich der Beginn seiner Arbeiten infolge einer Behinderung durch einen Vorunternehmer verschieben wird, so kann allein darin weder eine Anordnung i. S. v. § 2 Nr. 5 VOB/B noch ein Angebot zur Änderung der vertraglichen Vereinbarungen zur Bauzeit gesehen werden.

(OLG Köln, Urteil vom 21.12.2023 – 7 U 68/22)

Ein Auftragnehmer ist mit Rohbauarbeiten beauftragt. Der Auftraggeber teilt dem Auftragnehmer in einer Baubesprechung mit, dass Abbrucharbeiten noch nicht fertiggestellt waren und sich deshalb der Beginn seiner Arbeiten verschieben wird. Der Auftragnehmer interpretiert das als zeitliche Anordnung des Auftraggebers und macht unter anderem eine Mehrvergütung für die Beauftragung eines (teureren) Nachunternehmers i. H. v. 66.800 Euro und die verlängerte Vorhaltung der Baustelleneinrichtung i. H .v. 90.650 Euro geltend. Dabei stützt er seine Ansprüche auf § 2 Abs. 5 VOB/B und erklärt, es handele sich um Mehrkosten aufgrund einer „anderen Anordnung“ des Auftraggebers im Sinne dieser Vorschrift.

Die Entscheidung des Gerichts

Bereits das Landgericht Köln hatte die auf dieser Grundlage geltend gemachten Ansprüche abgewiesen. Das OLG Köln bestätigte diese Entscheidung nun.

Die vom Auftragnehmer geltend gemachten Mehrkosten waren nicht während des Annahmeverzuges des Auftraggebers entstanden, sondern erst, nachdem der Auftragnehmer (verspätet) seine Arbeiten aufnehmen konnte. Einzig mögliche Anspruchsgrundlagen wären demnach § 6 Abs. 6 VOB (Behinderungsschadenersatz) oder § 2 Abs. 5 VOB/B (Mehrkosten aufgrund einer sonstigen Anordnung des Auftraggebers) gewesen.

Dafür, dass der Auftraggeber die Verzögerung verschuldet hätte, gab es keine Anhaltspunkte; daher schied § 6 Abs. 6 VOB/B mangels Verschulden aus. Das OLG Köln sieht aber auch keine Anordnung des Auftraggebers.

Das Gericht geht davon aus, dass nach der überwiegenden Ansicht in Literatur und Rechtsprechung eine bloße Mitteilung des Auftraggebers über eine entstandene “Behinderung” durch einen Dritten keine Anordnung darstellt und nicht die Rechtsfolgen nach § 2 Nr. 5 VOB/B auslöst. Die Gegenauffassung, die unter anderem das Kammergericht vertritt, würde nach Meinung des OLG Köln dem Grundsatz zuwiderlaufen, dass nach Gesetz und § 6 Abs. 6 VOB/B ein Auftraggeber nur für schuldhafte Pflichtverletzungen haftet. Wenn der Auftraggeber eine Verzögerung nicht verschuldet hat, sollen nur die Regelungen über den Annahmeverzug gelten, die zwar eine Entschädigung für die Dauer des Annahmeverzuges vorsehen, aber eben keine Schadenersatzpflicht des Auftraggebers für Mehrkosten, die erst nach dem Ende des Annahmeverzuges eintreten.

Das Verschuldensprinzip des § 6 Nr. 6 VOB/B würde bei einer derart weiten Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 2 Nr. 5 VOB/B, wie sie etwa das Kammergericht (Urteil vom 29.01.2019, 21 U 122/18) vertritt, gänzlich umgangen, ohne dass sich dies allein mit der Begründung, der Wortlaut des § 2 Nr. 5 VOB/B lasse eine solche weite Deutung zu, befriedigend rechtfertigen ließe.

Praxishinweis

Auch wenn diese Rechtsauffassung aus Sicht des Auftragnehmers sehr unbefriedigend ist, muss man zugestehen, dass es nicht möglich ist, sich aus reinen Gerechtigkeitserwägungen über die gesetzlichen Vorschriften hinwegzusetzen. Es ist oftmals unbefriedigend, dass der Auftragnehmer nur eine Entschädigung für die Dauer des Annahmeverzuges erhält und auf später eintretenden Mehrkosten sitzen bleiben soll. Grundsätzlich hat es der Auftragnehmer aber bis zu einem gewissen Grad selbst in der Hand, dieses unbefriedigende Ergebnis zu vermeiden.

Wenn ein Auftraggeber dem Bauunternehmer mitteilt, dass sich der Beginn seiner Leistungen um mehrere Monate verschieben wird, dann muss der Auftragnehmer überlegen, wie er mit der Situation umgehen soll. Hat der Auftragnehmer ausreichend andere Aufträge, um sein Personal und seine sonstigen Betriebsmittel gewinnbringend einzusetzen, tut ihm die Verschiebung erst einmal nicht weh. Gleichzeitig ist aber jedem Baukaufmann klar, dass eine solche Verschiebung „Spätfolgen“ haben kann. Der Auftragnehmer kann den Auftraggeber auffordern, eine Erklärung abzugeben, dass solche finanziellen Spätfolgen von ihm bezahlt werden. Wenn der Auftraggeber nicht bereit ist, eine solche Erklärung abzugeben, muss der Auftragnehmer notfalls die Kündigung des Vertrages androhen bzw. erklären. In vielen Fällen wird es so sein, dass der Auftraggeber in dieser Situation bereit ist, eine entsprechende Kostenübernahme zuzusagen.

Wer aber einfach gar nichts unternimmt, um dann Monate später festzustellen, dass er mit Mehrkosten konfrontiert ist, ist ein Stück weit selbst schuld an der Situation. Trotzdem bleibt es natürlich eine schwierige Entscheidung, eine Vertragskündigung anzudrohen, insbesondere in Zeiten, wo das Auftragsbuch nicht so gut gefüllt ist wie in früheren Jahren.

Hendrik Bach
Rechtsanwalt