Wann ist eine Mangelbeseitigung unverhältnismäßig und kann deshalb vom Auftragnehmer verweigert werden?

(OLG Frankfurt, Urteil vom 26.03.2021 – 13 U 347/19; BGH, Beschluss vom 02.08.2023 – VII ZR 315/21 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen))

Nach § 635 Abs. 3 BGB bzw. § 13 Abs. 6 VOB/B kann der Auftragnehmer (AN) die Nacherfüllung verweigern, wenn sie nur „mit unverhältnismäßigen Kosten“ möglich ist. Mit der Auslegung dieses etwas schwammig formulierten Tatbestandsmerkmals hatte sich zunächst das LG Darmstadt (Urteil vom 29.08.2019 – 10 O 227/16) sowie im Berufungsverfahren das OLG Frankfurt zu beschäftigen. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der (AN) wurde mit der Durchführung von Dachdeckungs- und Dämmarbeiten beauftragt, für die er eine Vergütung in Höhe von rund 41.000 Euro erhalten sollte. Ein vom Auftraggeber (AG) beauftragter Sachverständiger (SV) bewertete die Leistung als mangelhaft. Der AN beseitigte daraufhin die festgestellten Mängel nach den Anweisungen des SV. Im Anschluss daran behauptet der AG weitere Mängel, die der AN aber nicht mehr beseitigen möchte. Daraufhin kündigte der AG den Vertrag.

Der AG fordert nun einen Vorschuss für die Mangelbeseitigung in Höhe von 29.000 Euro für die vollständige Sanierung des Daches und verlangt zusätzlich 6.700 Euro Schadensersatz wegen Beschädigungen am Dach. Der AN argumentiert, dass er die Mängel behoben und sich dabei an die Vorgaben des SV gehalten habe. Außerdem hält er die geforderte Komplettsanierung für unverhältnismäßig. Trotzdem reicht der AG Klage ein und verfolgt den Vorschuss- und Schadensersatzanspruch weiter.

Die Entscheidung des Gerichts

Das OLG weist die Klage ab. Ein AN dürfe die Mängelbehebung oder die Zahlung eines Vorschusses ablehnen, wenn die Kosten für die Reparatur unangemessen hoch wären. Dabei darf jedoch nicht ausschließlich auf die Reparaturkosten oder deren Verhältnis zu den Herstellungskosten der mangelhaften Sache abgestellt werden. Entscheidend ist vielmehr eine sorgfältige Bewertung der Interessen beider Parteien im jeweiligen Einzelfall. Hierbei muss der Aufwand für die Behebung des Mangels den Interessen des AG an einer Mängelbeseitigung gegenübergestellt werden.

Unter diesen Voraussetzungen war der Einwand des AN erfolgreich. Dies gründet sich hier hauptsächlich darauf, dass schon eine zeitintensive und nach den Anweisungen eines Sachverständigen durchgeführte Mängelbehebung auf Kosten des AN stattgefunden hat. Die Funktionsfähigkeit und die Lebensdauer des Daches waren bereits nach der ersten Mangelbeseitigung sichergestellt, weshalb eine weitere Nachbesserung auf Kosten des AN unangemessen und gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen würde. Das Interesse des AG an einer (weiteren) Mangelbeseitigung überwiegt den hierfür erforderlichen Aufwand (Neuherstellung des Daches) nicht.

Praxishinweis

Hier war ausschlaggebend, dass nach den Feststellungen des OLG das Dach bereits nach der ersten Mangelbeseitigung (nach den Vorgaben des SV) uneingeschränkt funktionstauglich war. Eine weitere Mangelbeseitigung durch Abriss und Neuherstellung des Daches war insoweit nicht mehr angezeigt. Soweit im Anschluss noch tatsächlich Mängel vorhanden waren, kann der AG immer noch die Vergütung mindern.

Zu beachten ist, dass der Einwand der Unverhältnismäßigkeit als Einrede vom AN ausdrücklich geltend gemacht werden muss. Der Einwand greift jedoch dann nicht durch, wenn die Funktionsfähigkeit des Werks spürbar beeinträchtigt ist. In solchen Fällen kann eine Nachbesserung regelmäßig nicht wegen zu hoher Kosten verweigert werden (BGH, Urteil vom 04.07.1996, VII ZR 24/95).

Dominic Filser
Rechtsanwalt