Eine Mischkalkulation ist kein zwingender Ausschlussgrund!

Auch unterhalb der üblichen Aufgreifschwelle von 10 % zum nächsthöheren Angebot kann der öffentliche Auftraggeber eine Preisprüfung nach § 16d EU Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 VOB/A durchführen, wenn andere Anhaltspunkte für ein unangemessen niedriges (Gesamt-) Angebot vorliegen.

VK Südbayern, Beschluss vom 06.02.2024 – 3194.23-3_01-23-58

Auch ungewöhnlich niedrige Einzelpreise können nach § 15 EU Abs. 1 VOB/A aufgeklärt werden, wenn Anhaltspunkte für eine Mischkalkulation, ein Spekulationsangebot oder eine Abweichung von den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses vorliegen. Es ist für das Vorliegen einer Mischkalkulation zwar nicht zwingend notwendig, dass der öffentliche Auftraggeber eine Konnexität zwischen ab- und aufgepreisten Preispositionen nachweist, allerdings muss für den Eintritt der Indizwirkung, die eine Beweislastumkehr zur Folge hat, wenigstens ein logischer Zusammenhang zwischen den Positionen bestehen, der über eine reine Zufälligkeit hinausgeht.

Das bepreiste Leistungsverzeichnis ist laut amtlicher Begründung der HOAI ein Element der Kostenermittlung sowie der Kostenkontrolle. Das bepreiste Leistungsverzeichnis beinhaltet auf Grund der sorgfältig zu ermittelnden Einheitspreise durchaus auch neben der reinen Kostenermittlung und Kostenkontrolle eine Möglichkeit, die Angemessenheit von einzelnen Preispositionen in Angeboten von Bietern zu überprüfen. Fehlerhafte Kalkulationen bei geringfügigen Missverständnissen über in eine Position einzukalkulierende Kosten führen bei Bagatellsummen nicht zu einer fehlerhaften Kalkulation im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A. Es besteht, insbesondere bei umfassenden Leistungsverzeichnissen, eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass in jedem Angebot kleinste Unstimmigkeiten bestehen. Wenn diese aber gerade nicht bei allen Bietern gleich detailliert überprüft werden, erhielte der öffentliche Auftraggeber die Möglichkeit, jeden missliebigen Bieter nach intensiver Angebotsaufklärung auszuschließen (so schon OLG München, 24. Mai 2006, Verg 10/06).

Sachverhalt

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) schrieb Bauleistungen mit einem Volumen von rund 3,5 Millionen Euro netto aus. Das Leistungsverzeichnis umfasste mehrere hundert Positionen. Nach der Angebotsprüfung stellte der Auftraggeber fest, dass das wirtschaftlich günstigste Angebot des Bieters B in zahlreichen Positionen Abweichungen bei der Preisbildung aufwies. Insbesondere ergab die Prüfung, dass einige Positionen mit sehr niedrigen Preisen angeboten wurden. Dahingegen waren andere Positionen überdurchschnittlich hoch bepreist. Bei mehreren Positionen, bei denen keine Korrelation zwischen den ab- und aufgepreisten Positionen festgestellt werden konnte, vermutete der AG eine drohende erhebliche Übervorteilung bei der Abrechnung. Er schloss das Angebot des B daraufhin aus und begründete dies mit einer unzulässigen Mischkalkulation. Daraufhin sollte der zweitbeste Bieter, der Bieter A, den Zuschlag erhalten. Eine vertiefte Prüfung des Angebots des A unterblieb, obwohl sich auch in dessen Angebot Auffälligkeiten bei der Preisgestaltung zeigten. Der B war mit dieser Vorgehensweise des AG nicht einverstanden und hat daraufhin einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer Südbayern gestellt. Nach seiner Ansicht verstößt sein Angebot nicht gegen vergaberechtliche Grundsätze. Die von ihm vorgenommenen Preisgestaltungen seien schließlich wirtschaftlich begründet. Außerdem sei der Ausschluss seines Angebots unverhältnismäßig, da sich die beanstandeten Positionen auf Bagatellbeträge bezögen.

Die Entscheidung der Vergabekammer:

Die Vergabekammer Südbayern entschied, dass der Ausschluss des Angebots des B unverhältnismäßig war. Zunächst stellte die VK klar, dass die Entscheidung eines AG, eine vertiefte Preisprüfung durchzuführen, nur eingeschränkt gerichtlich überprüft werden kann. Der AG habe insoweit einen Ermessensspielraum bei der Prüfung von Preisen. Allerdings müsse er objektive Maßstäbe anlegen und dürfe keine sachfremden Erwägungen in seine Entscheidung einfließen lassen. Andernfalls würde der AG gegen das gerichtlich überprüfbare Willkürverbot verstoßen. Die VK betonte, dass es einem Bieter grundsätzlich erlaubt ist, einzelne Positionen unter seinen Kosten anzubieten, solange er dies wirtschaftlich rechtfertigen kann. Gleichzeitig dürften Gemeinkosten nicht willkürlich auf bestimmte Positionen umgelegt werden. Eine unzulässige Mischkalkulation könne vorliegen, wenn ein Bieter bewusst einige Positionen künstlich niedrig und andere unangemessen hoch bepreist, um sich einen Vorteil bei der Abrechnung zu verschaffen. Allerdings dürfe ein Angebot nicht allein deshalb ausgeschlossen werden, weil eine gewisse Preisverlagerung erkennbar ist. Entscheidend sei, ob ein logischer Zusammenhang zwischen den betroffenen Positionen besteht. Eine Mischkalkulation könne nur dann einen Ausschluss rechtfertigen, wenn sich eine übermäßige Quersubventionierung nachweisen lässt und hierdurch ein Wettbewerbsverstoß entsteht. Die VK bestätigte den Hinweis des B, wonach die vom AG beanstandeten Positionen lediglich Bagatellwerte betrafen. Da der Einfluss dieser Preisabweichungen auf das Gesamtangebot minimal gewesen sei, sei der Ausschluss des Bieters unverhältnismäßig. Das Vergaberecht solle schließlich wirtschaftliche Ausschreibungen sicherstellen. Ein Ausschluss dürfe daher nicht allein auf formale Erwägungen gestützt werden, wenn das Angebot insgesamt wirtschaftlich sinnvoll erscheint. Des Weiteren beschäftigte sich die VK mit der ungleichen Behandlung der Bieter B und A. Während das Angebot des B einer intensiven Prüfung unterzogen wurde, wurden die Preisgestaltungen des A, der den Zuschlag erhalten sollte, kaum hinterfragt. Dies verstoße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und mache die Entscheidung des Auftraggebers angreifbar. Vergabekammer Südbayern hob vor diesem Hintergrund die Entscheidung des AG auf und verpflichtete ihn, das Angebot des B wieder in die Wertung aufzunehmen.

Hinweis für die Praxis

In ihrer Entscheidung hat die Vergabekammer Südbayern sich mit der Prüfung von Mischkalkulationen durch die Auftraggeber beschäftigt und festgestellt, dass eine Mischkalkulation allein kein zwingender Ausschlussgrund ist. Entscheidend ist vielmehr, ob eine unangemessene Preisverschiebung tatsächlich vorliegt und ob sich hierdurch eine Wettbewerbsverzerrung ergibt. Auch das Gleichbehandlungsgebot war Gegenstand dieser Entscheidung: Auftraggeber müssen alle Angebote mit gleichem Maßstab prüfen müssen. Eine selektive Tiefenprüfung bei nur einem Bieter kann als Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot gewertet werden. Wenn Auftraggeber eine Mischkalkulation prüfen, sollten sie die Vorgaben der Vergabekammer Südbayern im Hinterkopf haben: Es kommt auf das tatsächliche Vorliegen einer unangemessenen Preisverschiebung und eine mögliche Wettbewerbsverzerrung hierdurch an. Des Weiteren sollten Auftraggeber das Gleichbehandlungsgebot berücksichtigen und die Angebote der Bieter in gleichem Umfang prüfen. Die Ausnutzung kalkulativer Spielräume ist auch nach dieser Entscheidung möglich. Bieter dürfen dabei allerdings die Preise nicht unangemessen verschieben. Es darf also durch die Mischkalkulation keine Wettbewerbsverzerrung eintreten. Außerdem sollten diese darauf achten, wie intensiv der Auftraggeber Ihr Angebot und andere Angebote prüft. Kommt es hier zu Unterschieden, liegt wahrscheinlich ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot vor.