Hohes Risiko für Empfänger von Fördermittermitteln

1. Sind die Fördervoraussetzungen zulässigerweise in Förderrichtlinien geregelt, hat sich das Verwaltungsgericht bei der Rechtmäßigkeitsprüfung darauf zu beschränken, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder gegebenenfalls ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt.
2. Der öffentliche Auftraggeber verstößt gegen die Zuwendungsbedingungen, wenn er auch Angebote solcher Bieter wertet, die nicht sämtliche der geforderten Umsatzzahlen mitgeteilt oder keine vollständige Verpflichtungserklärung zur Beachtung der ILO-Kernarbeitsnormen abgegeben haben. Selbiges gilt für denjenigen, der sich nach Vorlage einer abgelaufenen Unbedenklichkeitsbescheinigung der Berufsgenossenschaft unter Verstoß gegen das Nachforderungsverbot eine aktuelle Bescheinigung nachreichen lässt.
3. Das bestehende Ermessen kann mit Rücksicht auf die haushaltsrechtlichen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Haushaltsführung in der Regel nur durch die (teilweise) Aufhebung des Zuwendungsbescheids fehlerfrei ausgeübt werden kann (sog. intendiertes Ermessen).

(VG Magdeburg, Urteil vom 09.07.2024 – 3 A 159/22)

Der Träger einer Gemeinschaftsschule will eine energetische Sanierung durchführen, und beantragt hierfür Fördermittel. Das Bundesland bewilligt einen Zuschuss in Höhe von insgesamt 2,28 Millionen Euro und verpflichtet den Träger in dem Bescheid zur Einhaltung der vergaberechtlichen Bestimmungen gemäß Nr.3 ANBest-Gk (Anwendung des vierten Teils des GWB).

Nach Durchführung der Baumaßnahme prüfte die Zuwendungsbehörde die Vergabeunterlagen, und beanstandete in mehreren Losen die Vergabepraxis.

Bei einem L eros hatte der Bieter den Zuschlag erhalten hatte statt der geforderten Umsatzangaben für die Jahre 2014-2016 (letzte 3 Jahre) Umsatzangaben für 2013-2015 gemacht. In einem anderen Los hatte der beauftragte Bieter eine abgelaufene Unbedenklichkeitsbescheinigung der Bauberufsgenossenschaft vorgelegt und in einem weiteren Fall hatte der beauftragte Bieter auf dem Formblatt der Erklärung zur Einhaltung der ILO- Kernarbeitsnormen nicht angekreuzt, ob die von ihm zu verwendenden Produkte in Afrika, Asien oder Lateinamerika hergestellt oder bearbeitet werden.

Daraufhin kürzte die Behörde die zuvor bewilligte Zuwendung um rund 150.000 €. Hiergegen klagt der Schulträger.

Entscheidung des Gerichts

Das Verwaltungsgericht Magdeburg weist die Klage ab. Zur Begründung führt das Gericht aus, dass es nicht Aufgabe des Gerichtes wäre, die Sinnhaftigkeit der Förderrichtlinien zu überprüfen, sondern das Gericht sich darauf beschränken müsse, ob bei der Anwendung der Richtlinien im Einzelfall der Gleichheitsgrundsatz verletzt worden ist. Dabei komme es auf die ständige Verwaltungspraxis der Zuwendungsbehörde an. Das Gericht weist darauf hin, dass das bestehende Ermessen bei einer teilweisen Rückforderung einer Zuwendung beim Vorliegen von Verstößen gegen das Vergaberecht in der Regel dazu führen müsse, dass der Zuwendungsbescheid (teilweise) aufgehoben wird.

Das Gericht führt weiter aus, dass die Vergaberechtsverstöße vorgelegen haben, und daher die Rückforderung zulässig gewesen sei.

Hinweis für die Praxis

Jeder der eine Förderung beantragt sollte sich darüber im Klaren sein, dass der Förderbescheid bei Verstößen gegen die zahllosen Vorschriften des Vergaberechtes teilweise widerrufen werden kann. Die Gerichte überprüfen in diesem Zusammenhang nur, ob die Kürzung ermessensfehlerfrei begründet wurde. Das wird in den meisten Fällen der Fall sein.

So hat das VG München, Urteil vom 20.05.2020 – M 31 K 16.5186 entschieden, dass der freie Träger eines Kindergartens zu Recht rund 100.000 € Fördermittel weniger bekam, weil das Ingenieurbüro in dem Los „Holzbauarbeiten“ für den Träger nicht erkennbar ein bestimmtes Produkt der Ausschreibung zugrunde gelegt hatte. Der Zuschlag wurde einem Bieter erteilt, der seinem Produkt von der (unzulässigen) Spezifikation abgewichen war. Das wurde später im Rahmen der Überprüfung der Vergaben bekannt. Das VG München erklärte dazu, dass derartige Vergabeverstöße von den Bietern gerügt werden müssen, und eine vergaberechtswidrige produktspezifische Ausschreibung nicht dadurch „geheilt“ werden kann, dass man einem Bieter der die produktspezifische Anforderung nicht erfüllt trotzdem den Zuschlag erteilt. Für eine rechtskonforme Vergabe der Leistungen habe die Ausschreibung nach Bekanntwerden des Problems aufgehoben und nach entsprechender Korrektur eine Neuvergabe durchgeführt werden müssen.

Es ist praktisch unmöglich, bei einer Vergabe von 30 oder 40 Einzelgewerken keine Fehler zu machen. Ganz davon abgesehen, dass viele der Vorgaben, wie etwa das Gebot der Fachlosvergabe, wirtschaftlich unsinnig sind, und zu massiven vermeidbaren Mehrkosten der öffentlichen Haushalte führen.

Ebenso abzulehnen ist die Überfrachtung des Vergaberechtes mit ökologischen oder sozialen Anforderungen. In einem abgegebenen Angebot fehlte ein Kreuz in der Rubrik, ob verwendete Produkte in Afrika, Asien oder Lateinamerika hergestellt oder bearbeitet wurden. Vielleicht handelte es sich um Verputzarbeiten, bei denen offensichtlich ist, dass der Mörtel nicht in Afrika hergestellt wurde.

Auch im Verlauf der Durchführung eines Projektes, etwa nach einer erforderlichen Kündigung eines Gewerkes erfolgen nicht selten Vergabeverstöße, weil Leistungen, die eigentlich neu auszuschreiben wären, freihändig als Nachträge an bereits tätige Firmen vergeben werden. Das ist zwar wirtschaftlich sinnvoll, denn die Stillstandszeiten und hieraus resultierenden Kosten bei einer Neuvergabe stehen in keinem Verhältnis zu der theoretisch denkbaren Einsparung bei einer neuen öffentlichen Ausschreibung, es ist aber ebenfalls ein Verstoß gegen Vergaberecht und damit gegen die Förderrichtlinien.

Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte können praktisch bei jedem geförderten Bauvorhaben in Deutschland Fördergelder zurückgefordert werden. Es gibt kein Projekt, bei dem sich nicht solche oder ähnliche Verstöße wie im vom VG Magdeburg entschiedenen Fall finden.

Sie sollten sich daher gründlich überlegen, ob Sie für Ihr Projekt Fördergelder beantragen wollen, oder das Projekt lieber sein lassen.