Nachtragsangebot zu spät: Keine einstweilige Verfügung nach § 650d BGB!

1. Das Nachtragsangebot nach § 650 b Abs. 1 Satz 2 BGB muss den Besteller in die Lage versetzen, die auf ihn im Falle einer Beauftragung zukommenden Zusatzkosten wenigstens annähernd abzuschätzen.
2. Das Nachtragsangebot muss zeitlich vor der Anordnung des Auftraggebers vorliegen, wenn der Auftragnehmer beabsichtigt, nach Ausführung der Leistung 80 Prozent der Vergütung aus dem Nachtragsangebot als vorläufige Zahlung geltend zu machen.
3. Die gesetzlich vermutete Eilbedürftigkeit entfällt, wenn der Antragsteller unangemessen lange keinen Gebrauch von dem Recht macht, eine einstweilige Verfügung zu beantragen. Wie lange ein Antragsteller mit dem Verfügungsantrag zuwarten darf, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

OLG Celle, Urteil vom 14.05.2025 – 14 U 238/24

Sachverhalt:

Ein Auftragnehmer macht über ein Nachtragsangebot Mehrkosten für die Entsorgung von Bohrwasser geltend. Dabei steht in seinem Nachtragsangebot nur ein Preis pro cbm Bohrwasser, aber keine vorläufige Abrechnungsmenge.

Der Auftraggeber lehnt das Nachtragsangebot ab, weil er der Auffassung ist, die Leistung sei bereits mit den Vertragspreisen vergütet. Daraufhin macht der Auftragnehmer nach Ausführung der Leistungen 80 Prozent der Vergütung geltend. Nachdem der Auftraggeber nicht bezahlt, beantragt der Auftragnehmer den Erlass einer einstweiligen Zahlungsverfügung gemäß § 650 d BGB.

Entscheidung des Gerichts:

Das Landgericht wie auch das Oberlandgericht lehnen den Antrag des Auftragnehmers ab. Die Begründung lautet zunächst, dass die Nachtragsangebote erst vorgelegt worden sind, als mit der Entsorgung des Bohrwassers bereits begonnen worden war. Unabhängig von der Problematik, dass eine explizite Anordnung des Auftraggebers nicht vorlag, weil dieser ja davon ausging, dass die Leistung sowie schon nach dem Vertrag geschuldet war, war jedenfalls das Nachtragsangebot erst während oder sogar nach Erbringung der Arbeiten eingereicht worden. Zudem wies dieses keine Endsumme aus.

Das OLG Celle schließt sich damit dem OLG München an, allerdings mit etwas anderer Begründung.

Das OLG München war der Meinung, die Nachtragsvorschriften im BGB würden ein „einheitliches System“ darstellen, deshalb müssten bei einem Vorgehen des Unternehmers im Wege der einstweiligen Verfügung nach § 650d BGB auch die Voraussetzungen von § 650b BGB vorliegen, also erst das Nachtragsangebot und dann die Anordnung (OLG München, Beschluss vom 12.03.2024 – 9 U 3791/23).

Das OLG Celle stellt in seiner Argumentation stärker darauf ab, dass der Auftraggeber vor der Erteilung der Anordnung wissen müsse, was der Unternehmer für eine Vergütung verlangt. Das sei jedenfalls das Regelungskonzept des Gesetzgebers: Erst der Änderungswunsch, dann das Nachtragsangebot, dann gegebenenfalls Verhandlungen und dann die Anordnung.

Wenn der Unternehmer das Nachtragsangebot erst während oder nach Ausführung der Leistungen legt, könne er de facto einseitig bestimmen, in welcher Höhe er über die 80 Prozent-Regelung Geld verlangen könne. Das sei nicht richtig. Außerdem stört sich das Gericht daran, dass keine vorläufige Menge angegeben war, sondern nur ein Einheitspreis.

Hinweis für die Praxis

Das, was sich der Gesetzgeber als Regelablauf vorstellt, mag für Einfamilienhäuser gelten, auf größeren Baustellen ist der Ablauf aber ein anderer. Meistens geht die Initiative vom Auftragnehmer aus, der dem Auftraggeber mitteilt, dass diese oder jene Zusatzleistung oder Leistungsänderung erforderlich sei. Das macht erst einmal gar nichts, aber der Auftragnehmer muss, wenn er später die 80-Prozent-Regelung in Anspruch nehmen will, erst ein Nachtragsangebot einreichen, und dann eine Anordnung des Auftraggebers erwirken. Man kann das auch anders machen, aber wenn es erst die Anordnung gibt und später das Nachtragsangebot, dann kann man sich eben nicht auf die 80-Prozent-Regelung berufen und keine vorläufige Vergütung im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzen.
Das Gericht hat allerdings nicht dabei bedacht, dass es damit der Auftraggeber in der Hand hat, die 80-Prozent-Regelung auszuhebeln, indem er sofort die Leistung anordnet. Was soll der Unternehmer dann machen? Soll der AN sagen, „ich muss erst das Nachtragsangebot legen, und dann müssen Sie nochmals anordnen“? Es wird abzuwarten sein, wie die Rechtsprechung sich dazu entwickelt.

Hendrik Bach
Rechtsanwalt