Planfreigabe als konkludente Anordnung einer geänderten Leistung

Aktuelle Entwicklungen und Praxishinweise

Die Frage, wann die Freigabe von Ausführungsplänen oder anderen auftragnehmerseitigen Unterlagen durch den Auftraggeber als konkludente Anordnung einer geänderten Leistung im Sinne des Bauvertragsrechts (insbesondere § 2 Abs. 5 VOB/B) zu werten ist, bleibt ein Dauerthema in der Baupraxis und Rechtsprechung. Die neuere Rechtsprechung bringt Bewegung in eine bislang uneinheitlich beurteilte Materie – mit unmittelbaren Konsequenzen für die Vergütungsansprüche von Auftragnehmern (AN) und die Prüfpflichten von Auftraggebern (AG).

1. Die OLG Frankfurt-Entscheidung vom 17.01.2022 (veröffentlicht erst nach Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den BGH Ende 2024)

Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. hat mit Urteil vom 17.01.2022 (Az. 29 U 30/21) klargestellt, dass die hausinterne Freigabe und anschließende Zuleitung einer vom AN gefertigten Ausführungsplanung an diesen eine konkludente Anordnung des AG begründen kann – selbst wenn dem AG die Abweichung von der ursprünglichen Planung nicht bewusst war.

Im konkreten Fall waren im Auftrags-LV Kabelkanäle aus Beton und aus GfK mit nahezu gleichem Anteil vorgesehen. Nach Beauftragung hatte der AN eine Trassenplanung vorgelegt, die eine Massenverschiebung von GfK-Kanälen zu Betonkabelkanälen vorsah. Nunmehr waren 95 % der Kanäle aus Beton. Das entsprach auch den Vorgaben in der Baubeschreibung, wonach aufgeständerte Kabelkanäle aus Kunststoff nur für einige Streckenabschnitte als Ausnahme vorgesehen waren. Nachdem was im Urteil steht waren im Grunde die Vordersätze im Leistungsverzeichnis falsch, und passten nicht zu der Baubeschreibung. Der AG hatte die Trassenplanung des AN intern freigegeben und dem AN die Freigabe mitgeteilt. Der AN durfte dies nach objektivem Empfängerhorizont so verstehen, dass der AG der geänderten Trassenplanung zustimmt und sich für die Betonkanal-Variante entschieden hat. Später erklärte der Auftraggeber, ihm sei nicht bewusst gewesen, dass er eine Änderung gegenüber dem Leistungsverzeichnis angeordnet habe.

Entscheidung des Gerichts

Entscheidend ist nicht der innere Wille oder das Wissen des AG, sondern wie sein Verhalten aus Sicht eines objektiven Empfängers (hier: des AN) zu verstehen ist. Selbst eine unwissentliche Freigabe kann daher vergütungspflichtige Änderungen auslösen.

Hinweis für die Praxis

Ein rein passives Verhalten des AG hat grundsätzlich keinen rechtsgeschäftlichen Erklärungswert; Schweigen im Rechtsverkehr bedeutet grundsätzlich keine Anordnung einer Leistungsänderung oder Zustimmung dazu. Davon abzugrenzen ist jedoch eine stillschweigende Erklärung unter den Geschäftsleuten. Eine solche kann vorliegen, wenn sich die Vertragspartner stillschweigend auf eine tatsächlich veränderte Situation einstellen, beispielsweise durch das Ergebnis einer Abstimmung oder eines Schriftwechsels. Die Auslegung des Verhaltens einer Partei hat sich stets am objektiven Empfängerhorizont zu orientieren, d.h. wie durfte die Gegenseite das Verhalten oder die Erklärungen des Vertragspartners verstehen. Das Kooperationsgebot im Bauvertrag verlangt außerdem vom AG, sich zu erklären und sich nicht hinter einem Schweigen zu verschanzen.

Eine früher ergangene Entscheidung des OLG Dresden vom 31.08.2011 (Az. 1 U 1682/10) hatte die Freigabe einer von der bei Vertragsabschluss vorliegenden Fensterliste abweichenden Ausführungsplanung des Fensterbauers durch den AG nicht als Anordnung gewertet, da der AG keine Kenntnis von der Abweichung hatte und auch nicht bewusst eine vergütungspflichtige Mehrleistung beauftragen wollte.

Während das OLG Frankfurt a.M. auf den objektiven Empfängerhorizont abstellt, rückte das OLG Dresden den subjektiven Willen des AG in den Vordergrund. Allerdings hatte der Fall die Besonderheit, dass der Fensterbauer auf seinen Ausführungsplänen einen Stempel angebracht hatte mit dem Inhalt “Nachtragsangebote werden nachgereicht, falls sich gemäß der freigegebenen Detailplanung Mehr-oder/und Minderkosten gegenüber der jeweils ursprünglich beauftragten LV- Position ergeben oder/und die Ausführung zusätzlicher Leistungen angeordnet wird.” In der Zeile darunter stand das Wort „Änderung:“, und dort waren keine Änderungen vermerkt.

Wenn der AN aber im Plankopf seiner Pläne vorsieht, dass Änderungen kenntlich gemacht werden, und dann steht dort nichts von Änderungen, dann darf der Auftraggeber wohl auch davon ausgehen, dass keine Änderungen enthalten sind. Damit ist die Entscheidung des OLG Dresden gut vertretbar.

Ein Jahr nach dem Urteil des OLG Dresden hatte das OLG Düsseldorf (Urteil vom 30.08.2012 – Az. 23 U 162/11) entschieden, dass eine Freigabe abweichender Fertigungsunterlagen (Montage von Sonnenschutzanlagen mittels Hubsteiger statt vom Gerüst aus) durch sachkundige Vertreter des AG eine Anordnung im Sinne von § 2 Abs. 5 VOB/B darstellen kann, und zwar unabhängig davon, ob die Abweichung zum vertraglichen Leistungssoll erkannt wurde oder nicht. Diese Auffassung entsprach damit dem was nun auch vom OLG Frankfurt entschieden wurde.

Mit der Frankfurter Entscheidung aus dem Jahr 2022 ist klar:

Der Maßstab ist eine objektive Betrachtung. Es kommt nicht darauf an, ob der AG sich über die Änderung oder deren Kostenwirkung bewusst war – entscheidend ist, ob ein verständiger AN die Handlung des AG als Zustimmung zur geänderten Leistung deuten durfte.

Dabei wird auch berücksichtigt, ob der AG durch sachkundige Vertreter gehandelt hat und ob sich das Verhalten in einen kommunikativen Gesamtzusammenhang einfügt (z. B. Besprechungen, Protokolle, Rückläufe).

Unabhängig davon ist es für einen AN jedoch der sicherste Weg, auf Änderungen in der Ausführungsplanung oder Montageplanung gegenüber den vertraglichen Vorgaben hinzuweisen. Wer bewusst auf eine stillschweigende Zustimmung durch mangelnde Klarheit in den Unterlagen setzt, riskiert nicht nur vergütungsrechtliche Nachteile, sondern unter Umständen auch den Vorwurf eines treuwidrigen Verhaltens.

Der AG, der eine seitenlange Fensterliste oder hunderte Ausführungspläne erhält, kann aber auch von sich aus nachfragen, ob der AN irgendwo Änderungen gegenüber den vertraglichen Vorgaben vorgenommen hat.
Bei guter Kommunikation lassen sich viele Streitigkeiten vermeiden.

Nurcan Aymandir
Rechtsanwältin