Schweigen ist nicht immer Gold!

Das Schweigen des Auftraggebers auf ein Nachtragsangebot des Auftragnehmers gilt – auch im kaufmännischen Geschäftsverkehr – nicht als Annahme des Nachtragsangebots.

(OLG München, Beschluss vom 03.02.2023 – 28 U 5927/22 Bau; BGH, Beschluss vom 25.10.2023 – VII ZR 44/23 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen))

Ein Malerbetrieb macht für die Ausführung von Zusatzleistungen eine Mehrvergütung i. H. v. 94.700 Euro geltend. Inhaltlich geht es um vermeintlich zusätzliche Arbeiten in 256 Hotelzimmern. Der AG hatte das entsprechende Nachtragsangebot des AN nicht angenommen, aber auch nicht ausdrücklich widersprochen und die Leistungen entgegengenommen.

Der Auftragnehmer meint, durch die widerspruchslose Entgegennahme der Leistungen sei stillschweigend das Nachtragsangebot angenommen worden und eine Einigung über die Vergütung zustande gekommen. Zusätzlich beruft sich der Auftragnehmer auf eine Vorschrift im Handelsgesetzbuch. Der AN meint, die geltend gemachte Nachtragsvergütung stehe ihm gem. § 362 HGB zu. Nach dieser Vorschrift ist ein Kaufmann, dessen Gewerbebetrieb die Besorgung von Geschäften für andere mit sich bringt und dem ein Antrag über die Besorgung solcher Geschäfte von jemandem zugeht, mit dem er in ständiger Geschäftsverbindung steht, verpflichtet, unverzüglich zu antworten. Sein Schweigen gilt sonst als Annahme des Antrags.

Die Entscheidung des Gerichts

Die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Landgericht München bleibt erfolglos.

Das Gericht legt zunächst dar, dass der Auftragnehmer nicht schlüssig vorgetragen hatte, dass es sich bei den abgerechneten Arbeiten des 15. Nachtrags tatsächlich um im Vertrag nicht vorgesehene Leistungen gehandelt hat.

Der Auftraggeber hatte dies bestritten und erklärt, teils habe es sich um Mangelbeseitigung, teils um die Erfüllung des vertraglich vereinbarten Standards für die Ausstattung der Hotelzimmer gehandelt. Im Urteil wird leider der genaue Inhalt der Leistungsbeschreibung nicht wiedergegeben.

Die Bewertung des Auftragnehmers, sein Nachtragsangebot sei stillschweigend angenommen worden, teilt das Gericht nicht. Dem stehe im vorliegenden Fall schon entgegen, dass die Parteien, nachdem die Beklagte sich mit der von der Klägerin im 15. Nachtrag geforderten Vergütung nicht einverstanden erklärt hatte, Verhandlungen über die Vergütung geführt hatten, welche jedoch zu keiner Einigung führten.

§ 362 Abs. 1 BGB sei nur anwendbar, wenn das Angebot an den Kaufmann darauf gerichtet ist, einen Vertrag zu schließen, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat. Keine Geschäftsbesorgung stellten Verträge dar, die sich auf den reinen Austausch der gegenseitigen Leistungen beschränken. Wer einem Kaufmann einen Kauf-, Darlehens-, Dienst-, Werk- oder Mietvertrag antrage, dürfe in aller Regel aus dessen Schweigen keine Zustimmung ableiten.

Praxishinweis

Der Auftragnehmer hatte nicht schlüssig begründet, dass es sich tatsächlich um zusätzliche, nach dem Vertrag nicht geschuldete Leistungen gehandelt hat. Außerdem hatte der Auftragnehmer scheinbar zur Höhe der Nachtragsforderung nicht ausreichend vorgetragen, sondern sich ausschließlich auf die behauptete stillschweigende Vereinbarung gestützt.

Ein solches Vorgehen ist vor Gericht natürlich sehr riskant. Zwar gibt es vereinzelte Gerichtsentscheidungen, nach denen das Schweigen eines Auftraggebers auf ein Nachtragsangebot und die widerspruchslose Entgegennahme der Leistungen als stillschweigende Annahme des Angebotes gewertet werden kann (so etwa OLG Brandenburg, Urteil vom 12.05.2022 – 12 U 141/21). Das OLG Brandenburg hatte argumentiert, aus der Vereinbarung der VOB/B und der damit zwischen den Parteien bestehenden besonderen Kooperationspflicht würde sich die Pflicht des Auftraggebers zu einem alsbaldigen Widerspruch ergeben, wenn er die dem Nachtragsangebot zu Grunde liegenden Preise nicht gegen sich gelten lassen wolle. Dem hat sich das OLG München ausdrücklich nicht angeschlossen; ohnehin war aber der dortige Fall anders gelagert, weil der Auftraggeber widersprochen hatte (aus dem Urteil ergibt sich aber nicht, wann das geschehen war).

Im Ergebnis kann das Schweigen auf ein Nachtragsangebot nur dann als stillschweigende Zustimmung gewertet werden, wenn besondere Umstände vorliegen, aus denen ausnahmsweise nach Treu und Glauben eine Verpflichtung zum Widerspruch durch den Auftraggeber begründet werden kann. Solche Situationen gibt es durchaus, sie sind aber eben nicht der Normalfall.

Hendrik Bach
Rechtsanwalt