Schadensersatzansprüche wegen Bauzeitverlängerung nur bei Verletzung von Vertragspflichten durch den AG

Aus der Regelung in § 3 Abs. 1 VOB/B ergibt sich die Vertragspflicht des Auftraggebers, die für die Ausführung nötigen Unterlagen dem Auftragnehmer rechtzeitig zu übergeben.

(OLG Dresden, Urteil vom 13.12.2023 – 13 U 378/23; BGH, Urteil vom 19.09.2024 (Revision zurückgewiesen – VII ZR 10/24))

Sachverhalt

Ein Auftragnehmer macht Schadenersatzansprüche wegen Bauzeitverlängerung geltend. Er begründet dies einerseits mit verspätet übergebenen Planungsunterlagen, anderseits mit verspäteten Vorunternehmerleistungen anderer Unternehmer.

Die Entscheidung des Gerichts:

Das OLG Dresden weist die Klage ab. Zwar sei die Zurverfügungstellung der nötigen Planungsunterlagen bei einem Vertrag nach VOB/B wegen der Regelungen in § 3 Abs. 1 eine echte Vertragspflicht, deren Verletzung zu Schadensersatzansprüchen führen könne. Vorliegend sei die verspätete Übergabe der Planung aber nicht kausal für einen Schaden des Auftragnehmers gewesen, weil der Auftragnehmer wegen fehlender Vorleistungen sowieso nicht früher hätte anfangen können. Die fehlenden Vorleistungen habe der Auftraggeber aber nicht „zu vertreten“, weil – anders als bei der Planung – die rechtzeitige Zurverfügungstellung der Vorunternehmerleistungen keine Vertragspflicht ist, sondern nur eine Obliegenheit sei.

Praxishinweis

Unter Baujuristen ist stark umstritten, ob die Regelung in § 3 Abs. 1 VOB/B eine echte Vertragspflicht begründet oder nur eine „Obliegenheit“ des Auftraggebers. Bei Obliegenheiten handelt es sich um Dinge, die man in seinem eigenen Interesse tun sollte, die aber keine echte Vertragspflicht darstellen, deren Verletzung der Gegenseite einen Schadenersatzanspruch gibt. Begünstigt wurden diese unterschiedlichen Meinungen dadurch, dass sich der BGH in verschiedenen Entscheidungen unterschiedlich ausgedrückt hat. Einmal hat er die Planungsverpflichtung des Auftraggebers nach VOB/B als Obliegenheit bezeichnet (VII ZR 152/12, Rdnr. 12), ein Jahr später als Verpflichtung (BGH VII ZR 194/13, Rdnr. 21).

Die Bewertung als echte Vertragspflicht (so das OLG Dresden) sehen wir als richtig an, auch wenn es den Auftragnehmer in dem konkret entschiedenen Fall nicht geholfen hätte.

Wozu ist die Unterscheidung überhaupt relevant? Bei Verletzung einer Obliegenheit gerät der Auftraggeber in Annahmeverzug. Dem Auftragnehmer steht eine Entschädigung zu, aber nur für die Dauer des Annahmeverzuges. Wenn sich aus der Verzögerung später für den Auftragnehmer Mehraufwendungen ergeben, besteht ein Rechtsanspruch auf Erstattung der Mehraufwendungen nur auf der Grundlage eines Schadensersatzanspruches wegen einer echten Pflichtverletzung oder auf der Grundlage einer Anordnung des Auftraggebers.

Wenn der Auftragnehmer die Möglichkeit hat, auf den Inhalt des Bauvertrages Einfluss zu nehmen, sollte er darauf achten, dass bestimmte wichtige Vorleistungen als echte Vertragspflicht des Auftraggebers definiert werden (zum Beispiel: „Der AG verpflichtet sich, die Berechnung/das Gutachten/xxxxxx bis zum (Datum) dem AN zu übergeben.“).

Hendrik Bach
Rechtsanwalt