Anzeigepflichten beim Kraneinsatz

Das Benutzen des Nachbargrundstücks durch Überschwenken des Baukrans – mit oder ohne Lasten – muss der Bauherr dem Nachbarn zwei Wochen vor der Benutzung anzeigen, sonst kann er sich nicht auf das sogenannte Hammerschlags- und Leiterrecht berufen.

(OLG Stuttgart, Urteil vom 01.08.2022 – 4 U 74/22)

01.08.2022 — Ein Bauherr errichtet auf seinem Grundstück zwei Doppelhäuser und vier Garagen. Hierfür stellte die Baufirma einen Turmdrehkran auf und überschwenkte mit dem Kranausleger mehrfach mit und ohne Lasten das Grundstück des Nachbarn, ohne dies zuvor angekündigt zu haben. Der Nachbar forderte den Bauherrn auf, das Überschwenken zu unterlassen, was dieser nicht befolgte. Nachdem es zu einem Schaden an einer Oberleitung kam, die das Haus des Nachbarn mit Strom versorgt hatte, beantragte der Nachbar den Erlass einer einstweiligen Verfügung, dass der Bauherr das Überschwenken zu unterlassen habe.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Landgericht Darmstadt hatte dem Bauherrn zunächst nur das Überschwenken mit Lasten untersagt, und den darüberhinausgehenden Antrag abgewiesen. Zur Begründung verwies das Landgericht Darmstadt darauf, dass zwar gemäß § 1004 BGB ein Unterlassungsanspruch bestehe, der Anspruch aber insoweit ausgeschlossen sei, als der Nachbar zur Duldung des Überschwenkens verpflichtet sei (§ 1004 Abs.2 BGB). Das sei für ein Überschwenken ohne Last der Fall.

Das OLG Stuttgart gab dem Antrag hingegen vollständig statt. Zur Begründung verwies es darauf, dass das Landgericht übersehen habe, dass der Bauherr das in § 7d NRG BW (Hammerschlags- und Leiterrecht) vorgesehene Verfahren für eine Inanspruchnahme des Grundstücks des Nachbarn nicht eingehalten habe. Deshalb sei dem Bauherrn das Überschwenken derzeit schon wegen verbotener Eigenmacht gemäß §§ 858, 862 BGB im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen, ohne dass es darauf ankäme, ob den Nachbarn materiell-rechtlich eine entsprechende Duldungspflicht – etwa aus § 905 S. 2 BGB – treffen könnte.

Praxishinweis

Bei jeder Baumaßnahme, für die ein Kran aufgestellt werden soll, ist rechtzeitig die Zustimmung des Nachbarn für das Überschwenken einzuholen. Grundsätzlich ist in der Rechtsprechung geklärt, dass ein Nachbar verpflichtet ist, das Überschwenken, zumindest ohne Lasten, zu dulden. Das ergibt sich zunächst aus den Nachbargesetzen der einzelnen Bundesländer und zusätzlich aus § 905 Abs. 2 BGB, wonach ein Eigentümer Einwirkungen nicht verbieten kann, die in solcher Höhe oder Tiefe vorgenommen werden, dass er an der Unterlassung kein Interesse hat. Allerdings kann diese Duldungspflicht – wie alle anderen Rechtsansprüche auch – nicht eigenmächtig durchgesetzt werden. Wenn der Nachbar erklärt, dass er mit dem Überschwenken nicht einverstanden ist, muss der Nachbar verklagt werden und das Einverständnis gerichtlich ersetzt werden. Um hierfür ausreichend Zeit haben, muss der Nachbar mehrere Monate vor Beginn der vorgesehenen Baumaßnahme gefragt werden. In den Nachbargesetzen der Bundesländer ist für die Ankündigung von Maßnahmen wie etwa dem Aufstellen eines Gerüstes oder eines Bauzaunes auf dem Nachbargrundstück oder eben dem Überschwenken mit Kranausleger eine Ankündigungsfrist von zwei Wochen vorgesehen. So lange darf man aber nicht zuwarten, denn wenn der Nachbar widerspricht, ist die Zeit für eine gerichtliche Klärung nicht mehr ausreichend. Zu beachten ist auch, dass der Bauherr eine Begründung braucht, warum das Aufstellen eines Kranes und das Überschwenken für die Baumaßnahme technisch erforderlich ist.

Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass zwar der Bauherr für das Einholen der Genehmigung verantwortlich ist, aber die Baufirma den Bauherrn hierauf ausdrücklich hinweisen sollte. Kommt es zu einem Baustillstand, entstehen die Stillstandskosten zunächst einmal bei der Baufirma. Hat sie den Bauherrn nicht auf die Problematik hingewiesen, könnte dies zu einem Mitverschulden führen.

Hendrik Bach
Rechtsanwalt