Keine Umsatzsteuer auf kündigungsbedingt nicht erbrachte Leistungen

Die nach Kündigung eines Architektenvertrags zu zahlende Vergütung ist nur insoweit Entgelt gemäß § 10 Abs. 1 UStG, als sie auf schon erbrachte Leistungsteile entfällt.

(BFH, Urteil v. 26.08.2021, AZ V R 13/19)

26.08.2021 —

Sachverhalt

Ein Architekt wurde vom Auftraggeber mit Planungsleistungen zur Erstellung einer Freianlage beauftragt. Nachdem der Architekt einen Teil der Leistungen ausgeführt hatte, wurde er vom Auftraggeber frei gekündigt. Die Parteien vereinbarten daraufhin eine Schlussvergütung bestehend aus einem Anteil für die bereits erbrachten Leistungen sowie einem Anteil für die nicht erbrachten Leistungen (sog. Ausfallhonorar). Nur für die Vergütung der erbrachten Leistungen berechnete der Architekt hierbei die Umsatzsteuer. Das Finanzamt ging im Anschluss an eine Umsatzsteuersonderprüfung allerdings davon aus, dass auch das Ausfallhonorar für die nicht erbrachten Leistungen der Umsatzsteuer unterfällt, weil es sich hierbei um Gegenleistungen für den Verzicht des Architekten auf Erfüllung des Architektenvertrages handele. Daraus entzündete sich ein Rechtsstreit zwischen dem Architekten und dem Finanzamt, der letztlich vom Bundesfinanzgerichtshof entschieden wurde.

Die Entscheidung des Gerichts

Der BFH gab dem Architekten Recht.

Die gemäß § 649 S. 2 BGB (bzw. § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B) nach freier Kündigung eines Architektenvertrags zu zahlende Vergütung unterfällt nur insoweit dem Entgeltbegriff des Umsatzsteuergesetzes, als sie auf schon erbrachte Leistung entfällt. Voraussetzung für eine solche steuerbare Leistung im Sinne eines Entgelts ist, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der erbrachten Leistung und dem empfangenen Gegenwert besteht. Entgelt ist demnach alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten. Bei einer Kündigung ist dies die bis dahin erbrachte Leistung.

Demgegenüber stellen Schadenersatzzahlungen oder andere Entschädigungen wie das Ausfallhonorar kein umsatzsteuerbares Entgelt dar, da kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Zahlung und einer Leistung des Steuerpflichtigen besteht. Der Zahlende hat mit dieser Leistung lediglich einen aufgrund einer gesetzlichen oder vertraglichen Regelung eingetretenen Schaden auszugleichen.

Der BFH begründet seine Entscheidung also damit, dass für das Ausfallhonorar keine konkrete Gegenleistung vorliegt, sondern es sich hier nur um einen Ersatz für entgangene Einnahmen handelt.

Praxishinweise

Das Urteil des BFH hat nicht nur für Architektenverträge, sondern auch für andere Werkverträge (wie bspw. Bauverträge) Geltung.

Mit seiner Entscheidung bestätigt der BFH eine bereits ältere eigene Rechtsprechung (BFH, Urteil vom 27.08.1970, AZ V R 159/66, BStBl II 1971, 6) und folgt gleichzeitig der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteil vom 22.11.2007, AZ VII ZR 83/05, BGHZ 174, 267) und der des EuGH (EuGH, Urteil vom 18.07.2007 – C-277/05).

Zu beachten ist ferner, dass das Ausfallhonorar dann der Umsatzsteuer unterfällt, wenn die Aufteilung der Zahlung in erbrachte und nicht erbrachte Leistungen nur zum Schein erfolgte, um bspw. die Entstehung einer Umsatzsteuer zu verhindern oder zu mindern, da der Auftraggeber nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist (wie es bei den meisten öffentlichen Auftraggebern der Fall ist). Gemeint ist also der Fall, in denen Auftraggeber und Auftragnehmer Vergütungsbestandteile für erbrachte Leistungen in die Vergütung für nicht erbrachte Leistungen verschieben, um lediglich die Umsatzsteuer zu reduzieren.

Philipp Dehn
Rechtsanwalt