Ansprüche gegen den Architekten bei Undichtigkeit des Daches

Ein sog. “Warmdach” mit einer Dicht-Dicht-Konstruktion war nach der DIN 4108-3 zwar bis zum Erscheinen ihrer Neufassung im Jahr 2014 grundsätzlich möglich, jedoch entsprach diese DIN-Norm schon Jahre zuvor aufgrund einer Vielzahl von bekannten Schadensfällen nicht mehr den allgemein anerkannten Regeln der Technik.

Eine vertragliche Risikoübernahme durch den Auftraggeber setzt voraus, dass der Auftraggeber Bedeutung und Tragweite des in der Abänderung der Planung liegenden Risikos erkannt hat (BGH, IBR 2013, 154), was grundsätzlich eine entsprechende Aufklärung durch den Architekten voraussetzt. Hierfür genügt ein Hinweis, dass diese Konstruktion kritisch oder schadensanfällig ist, nicht.

(OLG Stuttgart, Urteil vom 28.03.2023 – 10 U 29/22)

Die Bauherren eines Doppelhauses verklagen den Architekten und den beauftragten Bauphysiker auf Schadenersatz, nachdem es an den (Grün)Dächern der Doppelhäuser in Teilbereichen zu Schäden gekommen war. Die Bauherren machen als Schadenersatz die Kosten für eine komplette Neuherstellung aller acht Dächer der Reihenhäuser geltend und argumentieren, dass auch die Dächer, wo bisher keine Schäden aufgetreten sind, erneuert werden müssen, weil die gesamte Konstruktion schadensträchtig sei und nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen würde.

Der Architekt verteidigt sich gegen die Schadensersatzforderung mit dem Argument, er habe auf die Aussage des mitverklagten Bauphysikers vertrauen dürfen, dass die Konstruktion funktioniert. Der Bauphysiker macht geltend, dass nicht belüftete Dächer (mit einer Dampfsperre) bis zur Neufassung der DIN 4108-3 im November 2014 zulässig gewesen seien. Zu berücksichtigen sei die Vermutung, dass die DIN-Norm den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspreche. Das OLG Hamm sei in der Entscheidung 24 U 14/20 davon ausgegangen, dass ein solches Warmdach bei Einhaltung handwerklicher und planerischer Sorgfalt noch 2015 zulässig gewesen sei, ebenso das Landgericht Würzburg in einer in IBR 2018, 1053 veröffentlichten Entscheidung.

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Der Architekt habe ausreichend auf die Risiken der Warmdachkonstruktion hingewiesen, und sich auf die Aussage des Bauphysikers verlassen können. Der Bauphysiker allerdings sei nicht von den Klägern, sondern einem Baubetreuer beauftragt worden, so dass keine vertraglichen Ansprüche der Kläger bestehen würden.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Gericht hebt das Urteil des Landgerichts teilweise auf und verurteilt den Architekten zur Zahlung von insgesamt rund 138.000 € an die einzelnen Eigentümer. Das sind 75 % des geltend gemachten Schadensbetrages. Die Klageabweisung gegen den Bauphysiker bestätigt das OLG.

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat keine Zweifel an den vom Landgericht eingeholten Gutachten. Der Gutachter hatte umfangreich aus der Fachliteratur zitiert erklärt, dass bereits bei einer Fachtagung Holzbau im Jahr 2011 erklärt wurde, dass der Einbau von Dampfsperren (sd – 100 m) in außenseitig dampfdichten Holzkonstruktionen nicht mehr den Regeln der Technik entspreche. Sie unterbinden die sommerliche Umkehrdiffusion, die zur Trocknung des winterlichen Feuchteeintrags aus Dampftransport per Luftströmung (Konvektion) durch unvermeidliche Restleckagen erforderlich ist.

Die raumseitig oberhalb der Gipskarton- Beplankung eingebaute Dampfsperre weise einen ähnlich hohen Diffusionswiderstand auf (der genaue Wert wird im Urteil nicht genannt), so dass in den Dachraum eingedrungene Feuchtigkeit nicht mehr entweichen könne. In der Folge würde sich die eingedrungene Feuchtigkeit in den Holzbauteilen anreichern und es kann zum Wachstum von holzzerstörenden Pilzen kommen.

Dem Architekten hilft nicht, dass der Baubetreuer aufgrund eines entsprechenden Hinweises des Architekten die Stellungnahme des Bauphysikers eingeholt hatte. Dort war als Frage formuliert, ob “eher eine diffusionsoffene Dampfbremse […] oder eine Dampfsperre an der Sparrenunterseite angebracht werden soll”. Diese Frage wurde dahin beantwortet, dass “in jedem Fall eine Dampfsperre […] eingebaut werden” solle, allerdings unter der Voraussetzung, dass der Dachaufbau vor dem Anbringen der Dampfsperre trocken sei und die Holzbauteile keine erhöhten Feuchtewerte aufweisen, die Dampfsperre sei allseitig dauerhaft anzuschließen, Durchdringungen seien zu vermeiden.

Diese Aussage des Bauphysikers war falsch. Tatsächlich wäre eine Dampfbremse richtig gewesen, vorzugsweise eine variable Dampfbremse, bei der im Sommer etwa eingedrungene Feuchtigkeit in den Raum zurücktrocknen kann. Was dann tatsächlich geplant und eingebaut wurde, lässt sich dem Urteil allerdings nicht entnehmen. Eine Folie mit einem sd-Wert von 100 m wäre nach der technischen Definition eine Dampfbremse und keine Dampfsperre. Die Ausführungen des Oberlandesgerichtes zu diesem Thema sind teilweise etwas verwirrend.

Das Gericht ist nach den Ausführungen des Sachverständigen jedenfalls davon überzeugt, dass nicht nur ein Fachplaner, sondern auch jeder ein Gebäude planende Architekt spätestens ab dem Jahr 2011 wissen musste, dass der geplante und realisierte Dachaufbau nicht mehr den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprach. Der Gutachter hatte hierzu unter anderem auf einen Artikel von Oswald in der „Deutschen Bauzeitung“ 2009 verwiesen.

Allerdings müssten sich die Eigentümer 25 % des Schadensbetrages wegen Mitverschuldens abziehen lassen, weil der von ihnen eingesetzte Baubetreuer eine falsche Auskunft des Bauphysikers eingeholt und dem Architekten übergeben habe. Wenn ein Bauherr auf Nachfrage seines Architekten fachliche Hinweise und Auskünfte erteilt, müssten diese schon im eigenen Interesse des Bauherrn zutreffend sein.

Hinsichtlich des Bauphysikers schließt sich das OLG der Auffassung des Landgerichts an, dass der Baubetreuer die Anfrage gemacht habe, ohne dabei zu erwähnen, für welches Projekt und für welche Bauherren er diese Anfrage stellt. Deshalb sei kein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten der Bauherren zustande gekommen, und deshalb gebe es keinen vertraglichen Schadensersatzanspruch.

Praxishinweis

Die Entscheidung ist möglicherweise im Ergebnis richtig, auch wenn dies mangels Nennung technischer Details zur tatsächlich ausgeführten Leistung nicht beurteilt werden kann. Sehr problematisch sind die technischen Ausführungen in dem Urteil deshalb, weil das Gericht den Anschein erweckt, dass Warmdächer mit Zwischensparrendämmung generell risikoanfällig wären, und ihre Planung und Ausführung nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen würde. Es wird mit Sicherheit Bauherren geben, die das aus dem Urteil herauslesen.

Allerdings ist das in einer solchen Verallgemeinerung nach unserer Einschätzung falsch. Laut Angaben des Zentralverbandes des Deutschen Dachdeckerhandwerks gibt es in Deutschland 1,2 Milliarden m² Flachdachflächen, davon rund 130 Millionen m² Gründächer. Jährlich kommen rund 10 Millionen m² Gründächer dazu. Dabei wird der überwiegende Teil aller Flachdächer als Warmdächer ausgeführt. Manche Dachformen wie etwa Tonnendächer lassen sich anders auch nur schwer realisieren. Auch bei geneigten Dächern mit vielen Dachfenstern ist eine Hinterlüftung oft schwierig zu realisieren und führt zu zahlreichen Durchdringungen. Deshalb wäre es wichtig gewesen, dass das OLG Stuttgart präzise beschreibt, wann genau die Planung und Ausführung eines Warmdaches nicht den allgemein anerkannten Regeln entspricht, anstatt unpräzise von einer „Dicht-Dicht-Konstruktion“ zu sprechen, und die Begriffe Dampfsperre und Dampfbremse nicht sauber auseinanderzuhalten.

Unabhängig davon gibt das Urteil Anlass noch einmal darauf hinzuweisen, dass ein Warmdach sehr sorgfältig zu planen ist. Die Einschaltung eines Bauphysikers ist zwingend. Die ganze Planung muss darauf ausgerichtet sein, die möglichen Risiken der Konstruktion zu minimieren. Außerdem muss der Bauherr über die Vor- und Nachteile umfassend informiert werden, und zwar auch darüber, dass bei Fehlern in der Ausführung oder nachträglich herbeigeführten Undichtigkeiten der äußeren Abdichtung oder der inneren Dampfbremse massive Schäden an der Dachkonstruktion entstehen können.