Neuregelung für die Schwellenwertberechnung bei der Ausschreibung von Planungsleistungen

Der Gesetzgeber hat mit der „Verordnung zur Anpassung des Vergaberechtes an die Einführung neuer elektronischer Standardformulare („eForms“) für EU- Bekanntmachungen gewissermaßen „nebenbei“ eine kleine aber folgenreiche Änderung in § 3 Abs. 7 der Vergabeverordnung (VgV) vorgenommen.

Diese Vorschrift befasst sich mit der Ermittlung der europäischen Schwellenwerte, bei deren Überschreitung die jeweilige Leistung europaweit auszuschreiben ist. Nach dem Satz 1 der Vorschrift ist der geschätzte Gesamtwert aller Lose zu Grunde zu legen, wenn das beabsichtigte Bauvorhaben oder die vorgesehene Erbringung einer Dienstleistung zu einem Auftrag führt, der in mehreren Losen vergeben wird. Satz 2 dieser Vorschrift lautete bisher: “Bei Planungsleistungen gilt dies nur für Lose über gleichartige Leistungen“.

Dies hatte zur Folge, dass Planungsleistungen häufig nach dem nationalen Vergaberecht vergeben werden konnten, weil eine Zusammenrechnung des Wertes nur dann erforderlich war, wenn die Leistungen inhaltlich vergleichbar waren. Da beispielsweise eine TGA-Planung mit der Ausführungsplanung für den Hochbau und diese wiederum mit der Planung für die Außenanlagen inhaltlich nichts zu tun haben, fand eine Zusammenrechnung in der bisherigen Praxis der Vergabestellen nur sehr selten statt.

Dieser zweite Satz wurde nunmehr mit der o. a. Verordnung aufgehoben. Damit gab der Gesetzgeber dem Druck der europäischen Kommission nach, welche diese Sonderregelung von Anfang an für europarechtswidrig gehalten hat, da es hierfür keine Entsprechung in den einschlägigen EU-Richtlinien gibt. Die Streichung hat zur Folge, dass bei der Ausschreibung von Planungsleistungen künftig die Werte aller Lose zusammenzurechnen sind, auch wenn es sich dabei um unterschiedliche Leistungen handelt. In Anbetracht der Tatsache, dass der europäische Schwellenwert für derartige Dienstleistungen bei € 215.000,00 liegt, ist dieser Wert bei schon bei mittleren Projekten schnell überschritten. Hierauf werden sich die Vergabestellen künftig einstellen müssen.

Um die Vergabestellen für ihre künftige Praxis zu unterstützen, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) mit Schreiben vom 23.08.2023 sogenannte „klarstellende Erläuterungen zur Auftragswertberechnung vor der Vergabe von Planungs- und Bauleistungen nach der Streichung von § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV“ herausgegeben. Diese Erläuterungen sollen einer rechtssicheren, unionsrechtskonformen Anwendung der maßgeblichen Normen dienen, sollen aber einer Prüfung im Einzelfall und einer etwaigen Auslegung durch die Vergabekammern und der Oberlandesgerichte nicht vorgreifen. Das BMWK nimmt zu folgenden Punkten Stellung:

1.
Zunächst weist das BMWK auf den bereits in § 3 Abs. 2 VgV verankerten Grundsatz hin, wonach die Wahl der Methode zur Berechnung des geschätzten Auftragswertes nicht in der Absicht erfolgen darf, die Anwendung des Europarechtes zu umgehen. So dürfen die Vergabestellen die Auftragsvergabe von Planungsleistungen nicht so unterteilen, dass eine Zusammenrechnung unterbleibt und folglich die Schwellenwerte nicht überschritten werden, es sei denn, es liegen objektive Gründe dafür vor. Eine solche willkürliche Aufteilung ist beispielsweise gegeben, wenn die zu einem Projekt gehörenden Leistungen in größeren zeitlichen Abständen (z. B. unterschiedlichen Haushaltsjahren) voneinander ausgeschrieben werden, um den Eindruck zu erwecken, es handele sich um mehrere Projekte.

2.
Das BMWK liefert sodann eine Auslegungshilfe, wonach bei der Bestimmung eines einheitlichen Auftrages eine „funktionale Betrachtung“ heranzuziehen sei. Ein einheitlicher Gesamtauftrag liegt demnach vor, sofern dessen Teilleistungen in wirtschaftlicher und technischer Hinsicht eine innere Kohärenz und eine funktionelle Kontinuität aufweisen. Ob Planungsleistungen, die in ihrer Art auf unterschiedliche Weise erbracht werden, im Zusammenhang stehen und mithin zusammenzurechnen sind, ist im Einzelfall von der jeweiligen Vergabestelle zu prüfen und zu dokumentieren. So sind gegebenenfalls auch Bodengutachten oder Machbarkeitsstudien aus einer frühen Vorplanungsphase mit den anschließenden Planungsleistungen zusammenzurechnen.

3.
Das BMWK weist sodann darauf hin, dass öffentliche Auftraggeber nach den Erwägungsgründen der einschlägigen EU-Richtlinien Planungsaufträge und Bauaufträge grundsätzlich sowohl getrennt als auch gemeinsam vergeben können. Wie dies in der Praxis anzuwenden ist, wird in den Erläuterungen jedoch nicht weiter ausgeführt. Liest man dies jedoch im Zusammenhang mit der Begründung der o. a. Verordnung, so scheint der Gesetzgeber den Vergabestellungen völlig neue Ausschreibungsmöglichkeiten eröffnen zu wollen. Denn dort heißt es wörtlich: „Für die gemeinsame Vergabe von Ausführung und Planung der Bauleistungen bzw. Bauvorhaben als ein Bauauftrag gilt der jeweils aktuelle EU-Schwellenwert für Bauaufträge. Für die Schätzung, ob der Auftragswert über oder unter dem EU-Schwellenwert liegt, sind alle vorgesehenen Leistungen zu addieren. Neben allen Bauleistungen umfasst dies auch alle Liefer- und Dienstleistungen, bei gemeinsamer Vergabe also auch die Planungsleistungen, auch wenn sie in verschiedenen Losen vergeben werden. Lose eines Bauauftrages müssen nicht im selben Zeitpunkt ausgeschrieben werden; insbesondere bei Baulosen ist dies auch nicht üblich. Erreicht oder überschreitet der Gesamtwert des Bauauftrages nicht den EU-Schwellenwert, ist das Vergaberecht unterhalb der EU-Schwellenwerte anzuwenden.“
Diese Vorgaben werfen jedoch mehr Fragen auf, als nützliche Antworten zu geben. Insbesondere stehen sie im Konflikt mit anderen vergaberechtlichen Grundsätzen.

a)Zum einen kollidiert die angeblich freie Wahl bei der gemeinsamen oder getrennten Ausschreibung von Bau- und Planungsleistungen mit den Vorgaben aus § 97 Abs. 4 GWB (analog § 5 EU VOB/A). Danach sind Leistungen in der Menge geteilt (Teillose) und getrennt nach Art und Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen nur zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Sogenannte „Generalübernehmer-Vergaben“, bei denen der Auftragnehmer nicht nur die gesamten Bauleistungen, sondern auch die dazu gehörigen Planungsleistungen zu erbringen hat, sind danach grundsätzlich unzulässig. Denn nur selten liegen technische oder wirtschaftliche Gründe vor, die eine solche einheitliche Ausführung erfordern.

b)Es dürfte daher also auch in Zukunft nur in Ausnahmefällen möglich sein, Planungs- und Bauleistungen gemeinsam auszuschreiben und zu vergeben. Außerdem ist der angebliche Vorteil, wonach die Ausschreibung nach den europäischen Regeln (also nach Abschnitt 2 der VOB/A) von dem höheren Schwellenwert für Bauleistungen (derzeit € 5.382.000 netto) abhängt, kritisch zu betrachten. Denn das hieße im Klartext, dass einzelne Planungsleistungen selbst dann, wenn sie für sich gesehen über dem Schwellenwert von € 215.000 liegen, nicht europaweit ausgeschrieben werden müssten, weil in diesem Fall der höhere Schwellenwert der Gesamtbaumaßnahme maßgeblich wäre. Das kann nicht richtig sein, weil damit die gemäß § 106 GWB zu beachtenden europäischen Schwellenwerte für die Vergabe von Planungsleistungen unterlaufen würden.

c)Schließlich stellt sich ganz praktisch die Frage, wie man bei einer gemeinsamen losweisen Vergabe von Bau- und Planungsleistungen den Wert der Bauleistungen schätzen soll, wenn man weder eine Planung noch eine Leistungsbeschreibung und damit auch keinerlei Kostenschätzung hat, die bekanntlich auf diesen Grundlagen beruhen. Auch diese Frage muss entweder von den zuständigen Ministerien oder spätestens durch die Vergabekammern/Oberlandesgerichte beantwortet werden.

4.
Das BMWK weist schließlich zutreffender Weise darauf hin, dass eine Vergabestelle selbst bei Überschreitung des Schwellenwertes nicht alle Lose europaweit ausschreiben muss, wenn der geschätzte Wert des betreffenden Loses im Falle von Planungen unter € 80.000 netto liegt (vgl. § 3 Abs. 9 VgV). Allerdings darf der kumulierte Wert der in Abweichung von dieser Richtlinie vergebenen Lose 20 Prozent sämtlicher Planungslose nicht überschreiten. Liegen beispielsweise zwei kleinere Planungslose bei einem geschätzten Auftragswert von insgesamt € 70.000, können diese nur dann von einer EU-weiten Ausschreibung befreit werden, wenn der Gesamtwert aller Planungslose einen Betrag von € 350.000 netto überschreitet. Von dieser Ausnahme wird also auch in Zukunft nur relativ selten Gebrauch gemacht werden können.

Es bleibt abzuwarten, wie die Vergabestellen mit der Neufassung von § 3 Abs. 7 VgV künftig umgehen werden. Den zuständigen Ministerien ist zu raten, die von ihnen abgegebenen Erläuterungen nachzuschärfen, damit sich in der Praxis der Vergabestellen keine Fehlinterpretationen einbürgern.