Geht das oder droht eine Übersicherung des AG?
Der Beklagte (AG) beauftragte den Kläger (AN) mit der Errichtung eines Einfamilienhauses mitsamt Keller. Wie vertraglich vorgesehen, übergab der AN eine Gewährleistungsbürgschaft als Sicherheit. Nach der Abnahme stellte der AG diverse Mängel im Kellerbereich fest und nahm daraufhin einen Mängeleinbehalt vor. Der AN war der Auffassung, dass dies wegen der bereits gestellten Gewährleistungssicherheit unberechtigt sei und klagte seinen Restwerklohn ein.
Ohne durchgreifenden Erfolg! Das Gericht erkannte das Recht des AG an, sowohl die Gewährleistungsbürgschaft als auch den Mängeleinbehalt mit Druckzuschlag zu wählen. Eine Übersicherung des AG lag nicht vor. Im vorliegenden Fall überschritt das Doppelte der Mangelbeseitigungskosten auch unter Abzug des Nennbetrags der Bürgschaft den Werklohnanspruch des AN. Das Gericht stellte hierzu folgende Grundsätze auf:
In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass sich der AN darauf beruft, dass ein Mängeleinbehalt nicht zulässig sei, da ja bereits eine Gewährleistungssicherheit gestellt wurde. Hierbei wird aber regelmäßig verkannt, dass die Instrumente Mängeleinbehalt und Gewährleistungssicherheit voneinander unabhängig sind. Sie beruhen nicht nur auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen, sie verfolgen auch unterschiedliche Zwecke. So bildet der Mängeleinbehalt die Kehrseite des Grundsatzes, dass dem AN der vertragliche Werklohn in voller Höhe grundsätzlich nur bei Erbringung einer vollständigen und mangelfreien Leistung zusteht. Ist dies nicht der Fall, kann der AG bis zur Herstellung einer mangelfreien Leistung einen Einbehalt mit einem Druckzuschlag vornehmen, um den AN zur Mangelbeseitigung anzuhalten. Demgegenüber verfolgt die Mängelsicherheit den Zweck, den AG wegen noch unerkannter Mängel während der Gewährleistungsfrist abzusichern und das ihn treffende Insolvenzrisiko des AN abzufedern.
Grundsätzlich ist der AG deshalb berechtigt, beide Instrumente geltend zu machen. Die Geltendmachung darf den AG aber nicht übersichern. Dies liegt allenfalls nur dann vor, wenn ausgeschlossen ist, dass zukünftig weitere Mängelansprüche auftreten und damit der Sicherungszweck entfallen ist. Diese Voraussetzungen werden aber nur in den seltensten Fällen vorliegen, weshalb die Gefahr einer Übersicherung gering ist.
Umstritten ist jedenfalls, ob bei der Berechnung der zulässigen Höhe des Druckzuschlags überhaupt der Nennbetrag der bereits gestellten Gewährleistungsbürgschaft in Ansatz gebracht werden muss. Dies wurde von der Rechtsprechung bislang nicht aufgeklärt. Eine Pflicht zur Anrechnung des Bürgschaftsbetrags lässt sich aber mit guten Argumenten vereinen. Neben dem unterschiedlichen Schutzzweck sprechen auch bauwirtschaftliche Erwägungen gegen die Anrechnung. Findet eine Anrechnung statt und halbiert sich dadurch beispielsweise der Einbehalt auf den Wert der einfachen Mängelbeseitigungskosten, verliert der Mängeleinbehalt seine Wirkung. Der AN, der Mängel im Wert des Einbehalts beseitigt, gewinnt wirtschaftlich betrachtet nichts, da er dann nur seinen Werklohn in Höhe seines Mangelbeseitigungsaufwand ausgezahlt bekommt. Nur wenn der Einbehalt mit einem Druckzuschlag versehen ist, ist er hoch genug, damit der AN ein wirtschaftliches Interesse an der Mangelbeseitigung hat. Gegen die Anrechnung der Bürgschaftssumme spricht auch das nachvollziehbare Interesse des AG, die erhaltene Gewährleistungsbürgschaft bis zum Ende der Gewährleistungszeit zu behalten.
Philipp Dehn
Rechtsanwalt