Rügeobliegenheit im Unterschwellenbereich

(OLG Zweibrücken, Beschluss vom 11.10.2021 – 1 U 93/20)

Bei einem Vergabeverfahren über Straßenbauleistungen nach Abschnitt 1 der VOB/A wird der Bestbieter von der Vergabestelle wegen angeblicher Mischkalkulation ausgeschlossen. Weil seiner Rüge nicht abgeholfen wird, beantragt der Bieter den Erlass einer Verfügung vor dem LG Zweibrücken, um die Zuschlagserteilung an den Zweitplatzierten zu verhindern. Das Landgericht hebt die per Beschluss erlassene Verfügung im Widerspruchsverfahren auf, wogegen der Bieter Berufung beim OLG Zweibrücken einlegt.

Die Entscheidung des Gerichts

Das OLG weist die Berufung zurück. Zum einen sei das Zivilgericht nicht zuständig, weil das Land Rheinland-Pfalz mit der Landesverordnung über die Nachprüfung von Vergabeverfahren durch Vergabeprüfstellen vom 26.02.2021 ein spezielles Rechtsschutzverfahren installiert hat, welches den Zivilrechtsschutz vorgibt. Zum anderen hat der Bieter nach Auffassung des Gerichtes seinen Ausschluss nicht rechtzeitig gerügt. Bereits in einem Aufklärungsgespräch sei klar geworden, dass die Vergabestelle von einer unzulässigen Mischkalkulation ausgeht. Dies hätte der Bieter sofort rügen müssen und nicht erst neun Tage später nach Vorliegen der Ausschlussentscheidung.

Praxishinweis

Die Entscheidung ist in zweifacher Hinsicht lehrreich. Erstmals weist ein Obergericht darauf hin, dass Zivilgerichte für den einstweiligen Rechtsschutz im Unterschwellenverfahren nicht zuständig sind, wenn es landesgesetzliche Regelungen über ein Nachprüfungsverfahren gibt. Dies ist derzeit in drei ostdeutschen Ländern (Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) und nunmehr auch in Rheinland-Pfalz der Fall. Bei Verfahren in diesen Bundesländern sollten Bieter die Chance ergreifen, die von ihnen gerügten Vergaberechtsverstöße durch die besonderen eingerichteten Nachprüfstellen untersuchen zu lassen. Des Weiteren stellt das OLG klar, dass einstweiliger Rechtsschutz ohnehin nur zu erlangen sei, wenn der Bieter den von ihm behaupteten Vergaberechtsverstoß rechtzeitig rügt. Dies ist grundsätzlich nachvollziehbar, obwohl der Bieter im wieder konkreten Fall seine Rüge gegen den verfügten Ausschluss innerhalb von sieben Tagen formal gerügt hat, was man aus hiesiger Sicht auch noch als rechtzeitig hätte werten können. Grundsätzlich gilt jedoch für alle Vergabeverfahren, dass einstweiliger Rechtsschutz (unterhalb wie oberhalb der Schwellenwerte) nur zu erlangen ist, wenn der Bieter umgehend und vor allen Dingen hinreichend substantiiert rügt. Geht es Ihnen jedoch nur um die Erlangung von Schadensersatz, dann soll nach einer Grundsatzentscheidung des BGH aus dem Jahr 2019 eine Rüge oder ein Nachprüfungsantrag entbehrlich sein. Bieter sollten sich darauf nicht verlassen, sondern zumindest durch ein Rügeschreiben deutlich machen, wenn sie mit einer Entscheidung der Vergabestelle nicht einverstanden sind.

Dr. Ulrich Dieckert
Rechtsanwalt