Zur Einrede der Anfechtbarkeit

Der vom Auftraggeber eines Bauvertrages verlangte Verzicht des Bürgen auf die Einrede der Anfechtbarkeit ist keine unangemessene Benachteiligung.

(BGH, Urteil vom 25.01.2022 – XI ZR 255/20, Fortführung von BGH, Urteil vom 19.09.1985 – III ZR 214/83, IBRRS 1985, 0211)

Ein Auftraggeber will eine Gewährleistungsbürgschaft in Anspruch nehmen, nachdem der Auftragnehmer Mängel trotz Aufforderung nicht behoben hat. Die Gewährleistungsbürgin verteidigt sich damit, dass die Sicherungsabrede wegen des in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Bestellers vorgegebenen Verzichts auf die Einrede der Anfechtbarkeit insgesamt unwirksam sei.

Die Entscheidung des Gerichts

Eine unangemessene Benachteiligung des Werkunternehmers liegt nach der Rechtsprechung des BGH dann vor, wenn der Besteller im Rahmen der Sicherungsabrede die Ablösung des Gewährleistungseinbehalts durch eine Bürgschaft verlangt, die einen gegenüber dem Bürgen unzulässigen Regelungsinhalt aufweist (Senatsurteil vom 24.10.2017 – XI ZR 600/16, BGHZ 216, 288 Rdnr. 23). Das ist insbesondere der Fall, wenn der Bürge in der vom Werkunternehmer zu stellenden Bürgschaft auf die Einrede der Aufrechenbarkeit verzichten soll und davon auch unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Forderungen des Hauptschuldners umfasst sind (Senatsurteil vom 24.10.2017, a.a.O., Rdnr. 25).

Ein formularmäßig vereinbarter Verzicht des Bürgen auf die Einrede der Anfechtbarkeit nach § 770 Abs. 1 BGB stellt demgegenüber keinen unzulässigen Regelungsinhalt einer vom Werkunternehmer zu stellenden Gewährleistungsbürgschaft dar, weil der Bürge durch einen solchen Verzicht nicht gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unangemessen benachteiligt wird.

Eine unangemessene Benachteiligung nach dieser Vorschrift setzt u. a. voraus, dass die Abweichung vom dispositiven Recht für den Vertragspartner Nachteile von einigem Gewicht begründet. Daran fehlt es hier, weil die Einrede nach § 770 Abs. 1 BGB für den Bürgen praktisch keine Bedeutung hat, sodass mit einem Verzicht auf diese Einrede kein erheblicher Nachteil für ihn verbunden ist.

Praxishinweis

Wir haben in unserem Buch „VOB für Bauleiter“ ebenfalls den Standpunkt vertreten, dass die Einrede der Anfechtbarkeit praktisch bedeutungslos ist, sodass ein Verzicht hierauf nicht zur Unwirksamkeit der Sicherungsabrede führen sollte. Allerdings hatte das OLG München eine gegenteilige Ansicht vertreten (OLG München, Urteil vom 03.06.2014 – 9 U 3404/13 Bau).

Der Bundesgerichtshof stellt dankenswerterweise klar, dass nicht jede geringfügige Abweichung vom Gesetz in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Unwirksamkeit der betreffenden Regelung führt.

An dieser Stelle muss jedoch der Hinweis gegeben werden, dass viele Auftraggeber nach wie vor unwirksame und stark benachteiligende Klauseln in Bürgschaftsmustern verwenden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn geregelt wird, dass die Bürgschaftsforderung nicht vor der gesicherten Hauptforderung verjähren soll. Eine solche Regelung benachteiligt den Bürgen ganz massiv und führt unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu einer etwas anderen Vertragsklausel (BGH, Urteil vom 21.04.2015 – XI ZR 200/14) nach unserer Auffassung dazu, dass die gesamte Sicherungsabrede unwirksam ist.

Das LG Mannheim hat inzwischen unter Berufung auf die genannte BGH-Entscheidung in diesem Sinne geurteilt: Die vom Auftraggeber in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemachte Vorgabe: “Wir erklären, dass die Ansprüche aus dieser Bürgschaft in keinem Fall früher verjähren als die gesicherte Forderung; im Höchstfall gilt die Frist des § 202 Abs. 2 BGB.” benachteiligt den Auftragnehmer als Verwendungsgegner unangemessen und ist unwirksam (LG Mannheim, Urteil vom 23.10.2020 – 1 O 124/20).

Auftraggeber sollten diesbezüglich ihre Bürgschaftstexte überprüfen und korrigieren. Maximal ist eine Verlängerung der Verjährung der Bürgschaftsforderung auf fünf Jahre zulässig.

Hendrik Bach
Rechtsanwalt