Kein Verbraucherbauvertrag bei Einzelgewerk

1. Vergibt ein privater Auftraggeber Baumeisterarbeiten als Einzelgewerk, liegt kein Verbraucherbauvertrag vor (Anschluss an KG, IBR 2022, 128; entgegen OLG Hamm, IBR 2022, 347).
2. Baut ein Verbraucher drei Reihenhäuser, ist er auf Anforderung verpflichtet, dem Bauunternehmer eine Bauhandwerkersicherheit zu stellen.
3. Eine befristete Bankbürgschaft ist keine taugliche Bauhandwerkersicherheit.

OLG München, Urteil vom 09.06.2022 – 20 U 8299/21 Bau

Sachverhalt

Ein Rohbauunternehmer war mit der Erstellung des Rohbaus für den Neubau von drei Reihenhäusern beauftragt. Nachdem der Auftraggeber als Bauhandwerkersicherheit nur eine befristete Bürgschaft übersandt hatte, kündigte der Auftragnehmer den Bauvertrag. Hintergrund hierfür war vermutlich, dass es auch andere Meinungsverschiedenheiten gab.

Der Auftraggeber war der Ansicht, er sei ein Verbraucher, und habe keine Bauhandwerkersicherheit stellen müssen. Außerdem habe er ein Widerrufsrecht gehabt.

Die Entscheidung des Gerichts

Die Kündigung der Klägerin wegen Nichtstellung einer Bauhandwerkersicherheit war berechtigt und hat das Vertragsverhältnis mit sofortiger Wirkung beendet, da die Voraussetzungen des § 650f Abs. 5 S. 1 BGB vorlagen und kein Ausnahmefall nach § 650f Abs. 6 S. 1 Nr. 1 BGB gegeben war.

Der Senat bleibt bei seiner Auffassung, dass infolge der Vergabe allein der Baumeisterarbeiten als Einzelgewerk kein Verbrauchervertrag i.S.v. § 650i BGB vorliegt.

Ob der Begriff des “Bau eines neuen Gebäudes” eng oder weit auszulegen ist, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt.

Nach dem Gesetzestext liegt ein Verbraucherbauvertrag nur dann vor, wenn “ein neues Gebäude” in Auftrag gegeben wird, oder eine einem Neubau vergleichbare Sanierung. Auch die Vertreter einer weiten Auslegung räumen ein, dass Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Norm für eine enge Auslegung sprächen, die eine Vergabe in Einzelgewerken nicht in den Begriff des “Bau eines neuen Gebäudes” einbeziehen würde; sie verweisen jedoch auf den Sinn und Zweck der §§ 650i ff. BGB, durch welche der Verbraucher, der ein “größeres” Bauvorhaben durchführen möchte, geschützt werden solle, und darauf, dass es nicht nachvollziehbar sei, warum dieser Schutz nur bei dem Bau eines Hauses “aus einer Hand”, nicht aber bei einer Vergabe in Einzelgewerken erforderlich sei (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 27.4.2021, 24 U 198/20). Das OLG München vermochte dieser Ansicht nicht zu folgen, da durch sie zunächst die “Lücke” nach nationalem Recht definiert würde, abhängig von dem Regelungsumfang, den der nationale Gesetzgeber getroffen hat (hier: §§ 650a ff. BGB), und sich hieraus der Anwendungsbereich der EU-Richtlinie im Übrigen ergäbe. Dies widerspreche dem Vorrangverhältnis, welches die EU-Richtlinie gegenüber dem nationalen Recht hat. Eine als ungerecht empfundene Lücke könne nicht im Wege einer weiten Auslegung geschlossen werden, wenn zum einen das Regelungswerk gerade gegen eine ungewollte gesetzgeberische Lücke spricht und zum anderen eine europarechtliche Richtlinie einer weiten Auslegung entgegensteht.

Hinweis für die Praxis

Für bestimmte Bauverträge mit Verbrauchern wurden mit der Baurechtsreform 2018 Sonderregelungen eingeführt, die aus einer EU-Richtlinie resultieren. So ist der Auftragnehmer etwa verpflichtet, dem Auftraggeber (Verbraucher) vor Vertragsabschluss eine sehr detaillierte Baubeschreibung mit konkreten Angaben zur Art und Qualität der Ausführung sowie zur Bauzeit zu machen. Zudem steht dem Verbraucher ein spezielles Widerrufsrecht zu. Wird der Verbraucher hierüber nicht schriftlich belehrt, kann er auch noch Monate später den Vertrag kündigen.

Allerdings ist nicht jeder mit einem Verbraucher geschlossene Vertrag automatisch ein Verbraucherbauvertrag. Die vorgenannten erhöhten Anforderungen gelten nur dann, wenn der Verbraucher beim Auftragnehmer ein neues Gebäude (oder eine dem Neubau vergleichbare Sanierung) bestellt.

Leider haben in den letzten Jahren einige Gerichte aus Gerechtigkeitserwägungen heraus entschieden, dass auch Verträge über einzelne Gewerke als “Verbraucherbauvertrag” angesehen werden könnten. Noch hat der BGH hierzu nichts entschieden. Mit Blick auf die überzeugende Argumentation des OLG München ist zu hoffen, dass der BGH dieser Auffassung eine Abfuhr erteilen wird. “Gerechtigkeit” kann nämlich kein Grund sein, sich über geltendes Recht hinwegzusetzen. Tatsächliche oder vermeintliche Gerechtigkeitslücken muss der Gesetzgeber schließen!

Zu beachten ist allerdings, dass auch für Bauverträge über Einzelgewerke ein Widerrufsrecht bestehen kann, wenn der Vertrag ein “Fernabsatzvertrag” ist (Vertragsabschluss online oder telefonisch) oder der Vertrag außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers geschlossen wurde, ohne dass der Termin vom Verbraucher selbst veranlasst wurde.

Hendrik Bach
Rechtsanwalt