In einem europaweiten Vergabeverfahren über die Erbringung von Bauleistungen wird ein Bieter von der Vergabestelle wegen Schlechtleistungen in einem vorangegangenen Bauvorhaben ausgeschlossen. Dieser Vertrag war wegen Pflichtverletzungen des vormaligen Auftragnehmers/ und jetzigen Bieters seitens des öffentlichen Auftraggebers gekündigt worden. Der Auftragnehmer hatte sich gegen diese Kündigung seinerzeit nicht gewehrt, sondern seine Schlechtleistung bedauert und sich gegenüber dem Auftraggeber verpflichtet, diesem alle Schäden zu ersetzen. Nach seinem Ausschluss aus dem laufenden Vergabeverfahren will der Bieter davon aber nichts mehr wissen und stellt Nachprüfungsantrag.
Die vom Bieter angerufene Vergabekammer des Bundes weist den Nachprüfungsantrag zurück. In der Entscheidungsbegründung setzt sich die Vergabekammer lesenswert mit den Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB auseinander, welche sich auch in § 6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A wiederfinden. Danach kann der öffentliche Auftraggeber ein Unternehmen von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn das Unternehmen eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrages erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt und dies zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat.
Die Vergabekammer stellt im vorliegenden Fall fest, dass die Vergabestelle aufgrund des bisherigen Verhaltens des Bieters/vormaligen Auftragnehmers davon ausgehen durfte, dass es in dem betreffenden Vertragsverhältnis zu wesentlichen Pflichtverletzungen seitens des Auftragnehmers gekommen ist, die die geschuldete vertragsgerechte Erfüllung infrage gestellt haben. Auch hätten die vom Auftragnehmer zu vertretenden (und von ihm seinerzeit anerkannten) Verzögerungen im Bauablauf auch in tatsächlicher Hinsicht zu erheblichen wirtschaftlichen Belastungen des Auftraggebers geführt (z. B. Kosten der Ersatzvornahme). Nach Auffassung der Vergabekammer sind auch wesentliche vertragliche Anforderungen und Pflichten verletzt worden und nicht nur unwesentliche Nebenpflichten, da es sich bei der Einhaltung von vereinbarten Terminen um Hauptpflichten handelt. Vorliegend sei dem Auftragnehmer auch rechtswirksam gekündigt worden. Nicht erforderlich sei, dass die Berechtigung der aus der Vertragspflichtverletzung gezogenen Rechtsfolge gerichtlich bestätigt wird, insbesondere dann, wenn die Kündigung vom Auftragnehmer – wie hier – akzeptiert wurde. Die Vergabestelle habe im Rahmen ihrer Ermessensausübung eine Prognoseentscheidung zu treffen, ob vom Bieter künftig trotz Vorliegens des fakultativen Ausschlussgrundes eine sorgfältige, ordnungsgemäße und gesetzestreue Auftragsdurchführung zu erwarten ist. Bereits die Schlechterfüllung im Rahmen eines zurückliegenden Bauvorhabens rechtfertigt die Annahme einer ungünstigen Prognose mit Blick auf zukünftige Auftragsdurchführungen durch den Bieter. Da die Tatbestandsvoraussetzungen unstreitig vorliegen, hat die Vergabestelle nach Auffassung der Vergabekammer hier eine zulässige Ermessensentscheidung getroffen.
Der Vergabestelle hat im vorliegenden Fall in die Karten gespielt, dass der Bieter und frühere Auftragnehmer sich gegen die im vorangegangenen Bauvorhaben ausgesprochene Kündigung nicht gewehrt, sondern diese anerkannt hatte. Besteht über die Rechtmäßigkeit der Kündigung hingegen Streit und ist ein diesbezügliches gerichtliches Verfahren noch nicht abgeschlossen, dann ist es für Vergabestellen ungleich schwerer, sich auf diesen Ausschlussgrund zu berufen. Zwar muss nach Auffassung der VK Bund kein rechtskräftiges Urteil vorliegen. Gleichwohl muss sich die Vergabestelle in einem solchen Fall intensiver mit dem Für und Wider eines Ausschlusses und den Argumenten des Bieters in Bezug auf seine Zuverlässigkeit auseinandersetzen. Das war vorliegend schon deshalb nicht nötig, weil der Bieter/Auftragnehmer seine damaligen Verstöße selbst eingeräumt hatte.
Dr. Ulrich Dieckert
Rechtsanwalt