In dem entschiedenen Fall ging es um die Größe von Aussparungen für dreiteilige Fensterelemente. Diese Fensterelemente hatten links und rechts eine Verglasung, das mittlere Element war als Blindelement ausgebildet und nicht als Fenster.
Der Auftragnehmer hatte argumentiert, dass dieses mittlere Blindelement technisch gesehen ein zurückspringender Teil der Fassade sei. Die beiden Fensterelemente links und rechts waren < 2,5 m² und seien deshalb zu übermessen. Der mittlere Teil sei als Nische in der Fassade anzusehen, die die beiden Fensterelemente trenne. Die Größe dieser Nische lässt sich dem Urteil nicht entnehmen.
Der Auftragnehmer hatte sich auf einen Kommentar zur VOB/C bezogen, der seine Meinung gestützt hat. Das Gericht erklärte dazu, dass es nicht auf eine technische Betrachtungsweise etwa in Kommentaren ankommt, ebenso nicht darauf, wie ein Gutachter die Regelung interpretiere. Maßgeblich sei, wie die Regelungen für einen nicht im Baugewerbe tätigen Bauherrn zu verstehen sind.
Das Gericht stellt darauf ab, dass eine räumlich zusammenhängende Aussparung hergestellt wurde und nicht zwei Aussparungen und eine Nische. Abzustellen sei auf die Aussparung in dem WDVS, d. h. auf dem Teil der zu verputzenden Fassade, der fehlt, und nicht auf die Ausfüllung der Aussparung durch verschiedenartige Elemente, weil sich die gestalterisch uneinheitliche Ausfüllung der Aussparung nicht in einer uneinheitlichen Ausführung der Aussparungsgrenzen niederschlägt. Aus der Perspektive einer mit evtl. abweichenden Gepflogenheiten im Baugewerbe nicht vertrauten Vertragspartei komme es darauf an, ob die Aussparung im WDVS als solche als einheitlich zu erachten ist, solange die Unterteilung der ausfüllenden Elemente nicht den Herstellungsaufwand des Auftragnehmers beeinflusse.
Im vorliegenden Fall hatte der Auftraggeber, ein privater Investor, die Geltung der VOB/C im Vertrag vorgegeben. Das Gericht sieht hier einen Unterschied im Rahmen der Auslegung einer unklaren Vorschrift in den ATV und hält es für möglich, dass das Ergebnis anders ausfallen könnte, wenn zwei Baufirmen die VOB/C miteinander vereinbaren und es eine entsprechende „gewerbliche Verkehrssitte“ geben würde, die der Interpretation des Auftragnehmers entspreche.
Ein ähnliches Thema gibt es bei der Frage, ob „raumhohe Öffnungen“ übermessen werden dürfen. Wer nicht selbst Trockenbauer oder Maler ist, wird diese Frage wahrscheinlich verneinen. Es liegt einfach eine Unterbrechung der Wand vor und keine Öffnung. Trotzdem regeln einige ATV, solche raumhohen Öffnungen von weniger als 2,5 m² Fläche seien zu übermessen. Für die Anwendung der 2,5-m²-Regelung z. B. in Ziffer 5.3.1 der DIN 18330 oder DIN 18340 bei der Übermessung von Öffnungen komme es nicht darauf an, ob die Flächen irgendeine materialbezogene Verbindung miteinander haben (VOB-Stelle Niedersachsen, Entscheidung vom 28.05.2014 – Fall 1713). Auch hier liegt zwar eine gewerbliche Verkehrssitte in der Bauwirtschaft vor, ob das aber ein Bauherr, der nicht aus der Bauwirtschaft kommt, ebenso verstehen muss, ist fraglich. Vielleicht wäre es besser, wenn sich die Abrechnungsregeln stärker an dem orientieren, was für einen durchschnittlichen Bauherrn nachvollziehbar ist.
Wenn wir einen privaten Bauherrn haben und die Geltung der VOB/B und damit auch der VOB/C nicht vom Auftraggeber vorgeschlagen wurde, dann muss jedem Auftragnehmer klar sein, dass die Übermessungsregeln nicht ohne Weiteres anwendbar sind. Ein Trockenbauer müsste dem privaten Auftraggeber nicht nur die VOB/B aushändigen, sondern außerdem auch die DIN 18299 und zusätzlich die DIN 18340 (wenigstens die maßgeblichen Abrechnungsregeln). Selbst dann ist aber nicht gewährleistet, dass der private Bauherr die Regelungen genauso verstehen muss, wie die existierende gewerbliche Verkehrssitte ist. Ein Auftragnehmer, der hier sichergehen will, muss vorher klären, wie abgerechnet werden soll oder vereinbart am besten einen Pauschalpreis.
Hendrik Bach
Rechtsanwalt