Eine Kündigung "ausschließlich aus wichtigem Grund" ist keine freie Kündigung

Wird die Kündigung „ausschließlich aus wichtigem Grund” erklärt, gibt der Auftraggeber unmissverständlich zu verstehen, dass die Kündigung nur für den Fall gilt, dass ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung besteht.

(OLG Karlsruhe, Urteil vom 05.04.2023 – 15 U 101/22)

Ein Unternehmer ist mit der schlüsselfertigen Errichtung zweier Gebäude zu einem Pauschalpreis i. H. v. 26.000.000 € beauftragt. Es kam zu Streit über die Berechtigung von Nachtragsforderungen. Außerdem zahlt der Auftraggeber die 11. Abschlagsrechnung nicht. Daraufhin stellt der Generalunternehmer die Arbeiten ein und räumt teilweise die Baustelle.

Der Auftraggeber fordert zur Wiederaufnahme der Arbeiten auf, und nachdem dies nicht geschieht, erklärt sein Rechtsanwalt die Kündigung des Vertrags ausschließlich aus wichtigem Grund.

In dem anschließenden Rechtsstreit geht es um die Frage, ob eine Kündigung aus wichtigem Grund vorliegt und falls das nicht der Fall sein sollte, ob der Auftraggeber eine freie Kündigung des Vertrages ausgesprochen hat. Der Auftraggeber hatte auf Zahlung einer Vertragsstrafe und Rückzahlung einer behaupteten Überzahlung geklagt; der Auftragnehmer hatte im Wege der Widerklage Zahlung aus einer Schlussrechnung verlangt, und zusätzlich beantragt, dass das Gericht vorab durch Teilurteil feststellen sollte, dass keine Kündigung aus wichtigem Grund, sondern eine freie Kündigung vorlag. Über diesen Teil des Rechtsstreits hat das Landgericht dann ein Teilurteil erlassen und dem Generalunternehmer Recht gegeben. Hiergegen legte der Auftraggeber Berufung ein.

Die Entscheidung des Gerichts

Das OLG Karlsruhe erklärt zunächst, dass das Landgericht nicht unabhängig von der Beantwortung der Frage, ob die Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt war, nicht hätte entscheiden dürfen, dass eine freie Kündigung vorlag.

Es handelt sich hier um eine wichtige rechtliche Frage, nämlich danach, ob eine unberechtigte Kündigung aus wichtigem Grund in eine sogenannte „freie Kündigung” umgedeutet” werden kann bzw. muss.

Für die Frage, ob eine außerordentliche Kündigung eines Bauvertrages auch als freie Kündigung nach § 8 Abs.1 VOB/B bzw. § 648 BGB verstanden werden kann, komme es maßgeblich darauf an, ob sich aus der Kündigungserklärung ergibt, dass der Bauvertrag unabhängig davon beendet sein soll, ob der geltend gemachte Kündigungsgrund vorliegt.

Das wird in aller Regel so sein, wenn aus den Umständen des Einzelfalls nichts anderes folgt. Die Kündigung eines Bauvertrages ist eine Entscheidung, die in aller Regel nicht nur rechtliche, sondern auch tatsächliche Wirkungen hat. Mit ihr wird nicht nur zum Ausdruck gebracht, dass das Vertragsverhältnis beendet ist, sondern mit ihr werden auch die Voraussetzungen für den Einsatz eines Drittunternehmers oder für den vollständigen Abbruch des Bauvorhabens geschaffen. Das ist meist nur möglich, wenn die außerordentliche Kündigung auch für den Fall wirksam sein soll, dass der Kündigungsgrund nicht besteht. Will der Auftraggeber seine Kündigung nicht so verstanden wissen, muss sich das aus der Erklärung oder den Umständen ergeben (vgl. BGH, Urteil vom24.08.2003 – VII ZR 218/02).

Mit dem Kündigungsschreiben kündigte der Auftraggeber den Generalunternehmervertrag „ausschließlich aus wichtigem Grund”. Damit habe er unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass die Kündigung nur für den Fall ausgesprochen wurde, dass ein Grund für die fristlose Kündigung besteht. Am Ende kam es hierauf allerdings nicht an, weil das OLG einen wichtigen Grund für die Kündigung des Auftraggebers bejaht hat.

Praxishinweis

Die Kündigung eines Bauvertrages oder auch eines Planervertrages ist für den Auftraggeber immer eine schwierige Entscheidung; denn aufgrund der weitreichenden Folgen soll keine freie Kündigung ausgesprochen werden. Wenn dieses Risiko minimiert werden soll, kann so vorgegangen werden, wie dies im oben geschilderten Fall der Auftraggeber getan hat. Man muss aber realistisch sehen, dass damit keine Rechtsklarheit geschaffen wird. Wenn beispielsweise ein gekündigter Architekt die Kündigung zurückweist und der Auftraggeber sich nicht sicher ist, ob ein wichtiger Grund für die ausgesprochene Kündigung vorlag, müsste der Auftraggeber den Architekten auffordern, weiterzuarbeiten, wenn dieser dazu bereit ist. Der Auftraggeber müsste etwa Folgendes schreiben:

„Wir sind weiterhin der Ansicht, dass die ausgesprochene Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt war. Da Sie diese Ansicht nicht teilen, geben wir Ihnen hiermit Gelegenheit, die ausstehenden Planungsleistungen (bis xx.xx.xx) fertigzustellen. Sollte sich in einem späteren Rechtsstreit herausstellen, dass der Vertrag durch unsere Kündigung nicht beendet wurde, werden wie diese Leistungen vergüten. Sollte sich herausstellen, dass die Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt war, erhalten Sie von uns hierfür keine Vergütung.“

Der Architekt müsste dann entscheiden, ob er trotz der Möglichkeit, dass ein vertragsloser Zustand vorliegt, die Arbeiten weiterführen will.
Im beschriebenen Beispielsfall des Architekten ist das noch möglich, bei einem gekündigten Bauunternehmer aber nicht, weil ja nicht zwei Rohbauer parallel auf der Baustelle arbeiten können und in der Regel die Arbeiten alsbald weitergeführt werden müssen.

Das Vorgehen kann eigentlich nur funktionieren, wenn der gekündigte Unternehmer trotz eines solchen Schreibens die Arbeiten nicht weiterführt. In diesem Fall würde auch bei Fehlen eines wichtigen Grundes zur Kündigung nur ein Vergütungsanspruch für die tatsächlich erbrachten Leistungen bestehen. Im Ergebnis ist das Ganze eine eher theoretische Möglichkeit für den Auftraggeber, die in der Praxis wohl in dem meisten Fällen nicht funktionieren würde. Dennoch ist die Möglichkeit aber erwägenswert.

Hendrik Bach
Rechtsanwalt