Mitteilung von Behinderung ist keine bauzeitliche Anordnung gem. § 2 Abs. 5 VOB/B!

Die bloße Information des Auftraggebers über bestehende Behinderungen begründet für den Auftragnehmer noch keine Annahme einer bauzeitlichen Anordnung gem. § 2 Abs. 5 VOB/B. Dies ist selbst dann nicht anzunehmen, wenn der Auftraggeber neue Bauablaufpläne übergibt, wenn mit ihnen lediglich auf behinderungsbedingte Störungen des Vertrags reagiert wird.

(BGH, Urteil vom 19.09.2024 – VII ZR 10/24)

Der AN verklagt den AG auf Zahlung in Höhe von 56.729,59 Euro wegen einer Bauzeitverlängerung. Die insoweit geltend gemachten Behinderungskosten für Personal und Baucontainer wegen Verlängerung der Bauzeit und wegen gestiegener Tariflöhne ab dem Jahr 2019 wurden vom AG nicht bezahlt. Die Geltung der VOB/B ist vereinbart. Als Vertragsfrist war der Ausführungsbeginn am 19.06.2018 und eine abnahmereife Fertigstellung am 10.01.2019 vorgesehen.

Der AN zeigte Anfang Juli 2018 Behinderung wegen fehlender Ausführungsplanung an. Infolge der verspäteten Übergabe der Ausführungsplanung könne erst verzögert – ab Juli 2018 – mit den Arbeiten begonnen werden. Der AG übergab daraufhin einen Bauablaufplan, der den künftigen Bauablauf abbildete und Grundlage für die weitere Bauausführung der beteiligten Gewerke sein sollte. Der Bauablaufplan sah vor, dass die Leistungen der Klägerin nur in Teilbereichen begonnen und sodann nacheinander in den verschiedenen Leistungsbereichen ausgeführt werden sollten. Wesentliche Leistungen waren danach erst im Jahr 2019 zu erbringen. Ende Januar 2019 übermittelte der AG dem AN erneut einen korrigierten Bauablaufplan für die weitere Bauausführung; dieser sah nunmehr eine Verschiebung der Fertigstellung zur Abnahme der Arbeiten des AN auf den 29.10.2019 vor. Daraufhin zeigte der AN noch weitere Behinderungen wegen unvollständiger Ausführungspläne und fehlender Vorunternehmerleistungen an.

Die Entscheidung des Gerichts

Die bereits in den Vorinstanzen (LG Dresden und Berufung beim OLG Dresden) erfolglose Klage wurde letztlich auch in der beim Bundesgerichtshof eingelegten Revision auf Kosten des AN zurückgewiesen. Der BGH folgte u. a. der Begründung nicht, wonach die geltend gemachten Mehrkosten wegen Verlängerung der Bauzeit infolge einer Anordnung gem. § 2 Abs. 5 VOB/B („Bauzeitennachtrag“) beansprucht werden könnten. Voraussetzung für einen Mehrvergütungsanspruch gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B ist eine Anordnung des Auftraggebers. Dies erfordere jedenfalls eine rechtsgeschäftliche Erklärung, mit der einseitig eine Änderung der Vertragspflichten des Auftragnehmers herbeigeführt werden soll.

Von einer derartigen Anordnung sind nach der Systematik der VOB/B solche Störungen des Vertrags abzugrenzen, die aufgrund von Behinderungen schon rein faktisch den Bauablauf verzögern und zu Schadensersatz- und Entschädigungsansprüchen nach § 6 Abs. 6 Satz 1 VOB/B beziehungsweise § 6 Abs. 6 Satz 2 VOB/B i. V. m. § 642 BGB führen, wenn und soweit der AG vertragliche Verpflichtungen oder ihm obliegende Mitwirkungshandlungen nicht erfüllt. Liegt eine solche Störung aufgrund einer Behinderung vor und teilt der AG dem AN den Behinderungstatbestand und die hieraus resultierende Konsequenz mit, dass die Leistungen derzeit nicht erbracht werden können, liege nach diesem Maßstab keine „Anordnung“ des AG vor, die als einseitige Änderung des Leistungsinhalts gem. § 2 Abs. 5 VOB/B zu verstehen sei. Denn der Auftraggeber bestätigt damit letztlich nur das, was durch die Behinderung ohnehin gegeben ist.

In dieser Konsequenz stelle sich deshalb auch Übermittlung von Bauablaufplänen nicht als Anordnung des Auftraggebers im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B dar, wenn mit ihnen lediglich auf behinderungsbedingte Störungen des Vertrags reagiert wird. Der Auftraggeber komme damit vielmehr nur seiner Koordinierungsaufgabe gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B nach, bei einem Bauvorhaben mit aufeinander aufbauenden Leistungen das Zusammenwirken der verschiedenen Auftragnehmer zu regeln und an die behinderungsbedingten Störungen anzupassen. Ursächlich für die Verlängerung der Bauzeit waren hier aber– auch nach Begründung des AN – Behinderungen aus dem Risikobereich des Beklagten, nämlich die verspätete Vorlage von Ausführungsplänen und die verspätete Erstellung von erforderlichen Vorleistungen anderer Auftragnehmer. Die Bauablaufpläne bildeten vorliegend aber erkennbar nur die behinderungsbedingten Störungen ab und konkretisierten die jeweilige Verschiebung der Ausführung in zeitlicher Hinsicht. Dass mit dem Bauablaufplan hingegen die vereinbarten Bauabläufe einseitig geändert werden sollten, war für den BGH nicht ersichtlich.

Bei Behinderungen sei der AN folglich auf die Ansprüche aus § 6 Abs. 6 VOB/B bzw. § 642 BGB beschränkt, die hier aber nach Ansicht des BGH (aus anderen rechtlichen Gründen) ebenfalls nicht bestanden.

Praxishinweis

Mit der Entscheidung kehrt der BGH sogar ausdrücklich von seiner früheren Rechtsprechung als auch von einer jüngeren Entscheidung des Kammergerichts (Urteil vom 29.01.2019, 21 U 122/18) ab, wonach „Vorgaben des Auftraggebers zur Bauzeit“ als Folge von Behinderungen aus seinem Risikobereich regelmäßig Mehrvergütungsansprüche gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B rechtfertigten. Bereits in vorherigen Entscheidungen hatte der BGH für bauzeitliche Mehrkosten die Anwendungsbereiche für den Schadenersatzanspruch nach § 6 Abs. 6 VOB/B (keine Haftung des AG für bloße Verzüge des Vorunternehmers) sowie die Entschädigung nach § 642 BGB (Ausgleich nur für behinderungsbedingt vergeblich vorgehaltene Produktionsmittel) erheblich eingeschränkt.

Mit der jetzigen Entscheidung entzieht er nun auch einer Argumentation des AN den Boden, dass die Reaktion des AG auf bestehende Bauablaufstörungen in Gestalt der Information über geänderte Bauabläufe bauzeitliche Ansprüche nach § 2 Abs. 5 VOB/B begründe, selbst wenn er dies mit der Übergabe neuer Bauablaufpläne mit geänderten bzw. verschobenen Terminen verbindet.

Daraus folgt einerseits, dass es für den AN umso bedeutsamer ist, schon während der Ausführung der Leistungen bauzeitlich nachteilige Folgen im Wege von Verhandlungen zu lösen und solche Verhandlungen auch mit Nachdruck einzufordern, anderenfalls u. U. erwogen werden sollte, von bestehenden Kündigungsrechten wegen fehlender Mitwirkung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B/§ 643 BGB) Gebrauch zu machen. Andererseits wird man auch nicht ohne Weiteres von „Beschleunigungsanordnungen“ des Auftraggebers ausgehen dürfen, wenn dieser – trotz objektiver Bauzeitverlängerung gem. § 6 Abs. 2 VOB/B – lediglich die Einhaltung der alten oder zu kurzen Fristen einfordert oder diese in Bauablaufplänen vorsieht. Die Durchsetzung bauzeitlicher Ansprüche wird in der Praxis durch die Entscheidung des BGH jedenfalls weiter erschwert, weshalb Auftragnehmern zu empfehlen ist, solche Ansprüche so früh wie möglich mit der erforderlichen baubetrieblichen und rechtlichen Substanz geltend zu machen und zielgerichtet zu verhandeln.

Christian Zeiske
Rechtsanwalt